handschellenforum.de Foren-Übersicht handschellenforum.de
Das Forum rund um Handschellen
 
 FAQFAQ   SuchenSuchen   MitgliederlisteMitgliederliste   BenutzergruppenBenutzergruppen   RegistrierenRegistrieren 
 ProfilProfil   Einloggen, um private Nachrichten zu lesenEinloggen, um private Nachrichten zu lesen   LoginLogin 
Adventskalender 2010

Entwurf Polizeirechtsänderung S-H
Gehe zu Seite 1, 2  Weiter
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen    handschellenforum.de Foren-Übersicht -> Offtopic
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  
Autor Nachricht
dancingcane



Anmeldungsdatum: 11.05.2007
Beiträge: 3450
Wohnort: ca. 65km vor den Toren Hamburgs

BeitragVerfasst am: Sa Nov 09, 2019 7:16 am    Titel: Entwurf Polizeirechtsänderung S-H Antworten mit Zitat

hier ein Bericht aus hl-life.de November 2019

Schleswig-Holstein:

Taser, Bodycams und GPS-Tracker: Mehr Befugnisse für Polizei

In ihrer Kabinettssitzung am Dienstag hat die schleswig-holsteinische Landesregierung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung polizei- und ordnungsrechtlicher Vorschriften im Landesverwaltungsgesetz (LVwG) eine Reform des Polizeirechts auf den Weg gebracht.
Dieses war seit der letzten umfänglichen Polizeirechtsreform aus dem Jahr 2007 nur noch punktuell geändert worden. Kernpunkte der Reform sind die Anpassung der Vorschriften zum Schusswaffengebrauch, die Erprobung des Einsatzes so genannter Distanz-Elektroimpulsgeräte, sowie die Nutzung von Body-Cams.

"Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir unseren Polizistinnen und Polizisten für ihre wichtige Arbeit endlich die nötige Rechts und Handlungssicherheit geben. Sie sind heute mit völlig anderen Gefährdungslagen konfrontiert als noch vor zwölf Jahren. Neben der Aufstockung des Personals, der Sanierung der Infrastruktur und der Verbesserung der Ausrüstung unserer Polizei war und ist die Reform des Polizeirechts deshalb ein ganz wesentliches Ziel, auf das sich CDU, FDP und Grüne im Koalitionsvertrag verständigt haben. Der nun vorliegende Gesetzentwurf schafft durch moderate Anpassungen und Ergänzungen die für eine effektive Gefahrenabwehr erforderlichen Befugnisse und schützt zugleich die Bürgerinnen und Bürger vor ungerechtfertigter Beeinträchtigung ihrer persönlichen Freiheitsrechte", erklärte Innenminister Hans-Joachim Grote in Kiel.

Der Gesetzentwurf enthalte die aufgrund der Veränderung der Sicherheitslage notwendigen Eingriffsbefugnisse, um den Gefahren der grenzüberschreitenden Kriminalität und des internationalen Terrorismus wirksam begegnen zu können. Der Innenminister dankte allen Beteiligten, die in den vergangenen Monaten intensiv an der Reform gearbeitet haben, um den notwendigen Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor terroristischen Bedrohungen und neuen Formen der Kriminalität sorgsam mit den individuellen Freiheitsrechten in Einklang zu bringen.

"Diese Arbeit war dringend notwendig. Sie ermöglicht uns, einen wirklich ausgewogenen Gesetzentwurf vorzulegen. Eins ist mir als zuständigem Minister nach vielen Gesprächen mit Polizistinnen und Polizisten für die nun anstehende öffentliche Debatte über den Gesetzentwurf ganz besonders wichtig: Kein für die öffentliche Sicherheit Verantwortlicher, keine Polizistin und kein Polizist wünscht sich, jemals in die Lage zu kommen, in der sie die insbesondere für die Bekämpfung des Terrorismus als 'ultima Ratio_ vorgesehenen sehr weitgehenden Eingriffsbefugnisse anwenden müssen. Gerade deswegen liegt es jedoch in der Verantwortung der Politik, der Polizei für derartige Ausnahmesituationen die notwendige Handlungssicherheit zu geben. Dieser Verantwortung wollen wir mit diesem Gesetzentwurf nachkommen", betonte der Innenminister.

Anpassung der Befugnisse zum Schusswaffengebrauch

Der gezielte, tödlich wirkende Schuss auf einen Menschen soll künftig als ultima ratio zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit zulässig sein. Diese Zwänge treten erwartbar eher nicht im täglichen Streifendienst auf, sind aber für die Taktik und das Vorgehen unserer Spezialeinheiten von Belang. Dabei geht es um Lagen schwerster Gewaltkriminalität, zum Beispiel Geisellagen oder terroristische Gewalttaten. Hier kann es zu Situationen kommen, in denen der Schutz menschlichen Lebens und der körperlichen Unversehrtheit vor schwersten Verletzungen (insbesondere der Geiseln) nur gewährleistet werden kann, wenn die Polizei zum Schutze dieser hohen Rechtsgüter auf den Angreifer so schießt, dass der Schuss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirkt. Ähnlich zu betrachten sind Bedrohungsszenarien durch Anschläge auf Großveranstaltungen und Menschenmengen mit terroristischem Hintergrund. Hier besteht zunehmend die Gefahr unübersichtlicher Situationen, in denen zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben der Schusswaffengebrauch auf Täter in einer Menschenmenge erforderlich sein kann. In solch einer besonderen Ausnahmesituation steht eine vorherige Warnung des Täters vor dem Schusswaffengebrauch häufig einer effektiven Gefahrenabwehr entgegen. Daher wird durch die Neufassung ein Schusswaffengebrauch gegen Personen auch in einer Menschenmenge ohne Warnung ermöglicht, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. Aufgrund einer um sich greifenden Radikalisierung gerade auch junger Menschen kann künftig nicht ausgeschlossen werden, dass Täter in akuten terroristischen Bedrohungslagen oder Amoklagen das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für die handelnden Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten schafft eine ausdrückliche gesetzliche Regelung Rechtssicherheit in krisenhaften Ausnahmesituationen. Sie stellt zugleich sicher, dass der tödlich wirkende Schuss das letzte und einzig verbleibende Mittel der Gefahrenabwehr ist. Die Letztentscheidung zur Schussabgabe soll dabei den jeweils handelnden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten vorbehalten sein.

Aufnahme der Befugnis zum Einsatz von Distanz-Elektroimpulsgeräten (sogenannte "Taser") für einen Pilotversuch innerhalb der Landespolizei

Das Distanz-Elektroimpulsgerät (DEIG) wird in den abschließenden Kanon der zulässigen Waffen aufgenommen. Damit wird - wie in der Mehrzahl der übrigen Bundesländer - auch in Schleswig-Holstein neben dem Einsatz von Schlagstock und Schusswaffe der Einsatz des Distanz-Elektroimpulsgeräts rechtlich ermöglicht.

Auf dieser Grundlage soll das Distanz-Elektroimpulsgerät zunächst im Rahmen eines Pilot-Projektes getestet werden. Der Einsatz von Distanz-Elektroimpulsgeräten durch die Landespolizei soll nach Ablauf von drei Jahren evaluiert werden. Der Gesetzentwurf sieht dazu eine Evaluierungs- und Verfallklausel vor.

Stärkung der Eigensicherungsmöglichkeiten unter anderem durch den Einsatz sogenannter Bodycams

Nach Beendigung des Pilotprojekts soll für den Einsatz der Bodycam eine ausdrückliche Rechtsgrundlage geschaffen werden. Darin wird explizit beschrieben, wie mit den erhobenen Daten im Anschluss an eine Aufzeichnung zu verfahren ist und wie der Betroffene die ihm zustehenden Rechte geltend machen kann. Der Einsatz von Bodycams in Wohnungen erfolgt nicht, um das hohe Gut aus dem Artikel 13 Grundgesetz zu schützen.

Anpassung der Sicherstellungs- und Fesselungsbefugnisse

Bisher durfte eine Person erst gefesselt werden, wenn ein Fall der Freiheitsentziehung vorlag. Durch die Änderung wird die Eigensicherung der Polizeivollzugsbeamtinnen- und beamten verbessert, indem eine Fesselung von Personen zukünftig im eng begrenzten Rahmen unter erleichterten Voraussetzungen zulässig ist. Die Fesselung bleibt aber an eine freiheitsbeschränkende Maßnahme im Sinne des Art. 104 GG und das Vorliegen weiterer Voraussetzungen wie Fluchtgefahr oder Widerstandshandlungen angeknüpft. Unter denselben Voraussetzungen dürfen nunmehr bei der angehaltenen oder festgehaltenen Person auch Gegenstände sichergestellt werden, wenn eine missbräuchliche Verwendung durch diese nicht ausgeschlossen werden kann.

Ergänzung der polizeilichen Anhalte- und Sichtkontrollrechte um die Befugnis zur Identitätsfeststellung zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität

Diese Neuregelung ergänzt die Befugnisse zur Identitätsfeststellung im Rahmen der grenzüberschreitenden Kriminalität und von Straftaten von erheblicher Bedeutung. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist dies nur zur vorbeugenden Bekämpfung gewichtiger Kriminalität und des internationalen Terrorismus zulässig. Die Umschreibung der räumlichen Bereiche bietet den Polizeivollzugsbeamtinnen und –beamten Handlungssicherheit und verhindert eine gebietsausufernde Kontrolle.

Ergänzung der besonderen Mittel der Datenerhebung um den Einsatz verdeckter Ermittler sowie den Einsatz von GPS-Trackern

Bislang durften Verdeckte Ermittler in Schleswig-Holstein zu präventiv-polizeilichen Zwecken nicht eingesetzt werden. Der Einsatz ist nun bei Gefahren für erhebliche Rechtsgüter und wenn die Maßnahmen zur Aufklärung unerlässlich sind, möglich. Künftig wird zudem die Nutzung satellitengestützter Positionssysteme wie des Global Positioning System (GPS) ausdrücklich geregelt sein. Durch die Änderung werden die polizeilichen Befugnisse um dieses für Observationszwecke wertvolle technische Mittel klarstellend ergänzt.

Ergänzung der Befugnis zum Aufenthaltsverbot um das Aufenthaltsgebot und die Meldeauflage

Diese neuen Instrumente vervollständigen die behördlichen Befugnisse zum Erlass aufenthaltsbeschränkender Anordnungen und dienen der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten. Zugleich werden durch die Ergänzung die gesetzgeberischen Handlungsempfehlungen im Zusammenhang mit islamistischem Terrorismus umgesetzt, wonach insbesondere die Meldeauflage als besonders geeignete Maßnahme beschrieben wird, relevante Personen von der Planung und Durchführung terroristischer Anschläge abzuhalten. Außerdem wird durch die Ergänzung der polizeilichen Befugnisse dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung getragen, da die Eingriffsschwere der neuen Befugnisse deutlich unter der Anordnung einer freiheitsentziehenden Gewahrsamnahme liegt.

Einfügung der Befugnisse zur Unterbrechung der Telekommunikation und der sogenannten "elektronischen Fußfessel", diese allerdings nur zur Abwehr terroristischer Gefahren

Zur Abwehr dringender Gefahren für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib und Leben einer Person– beispielsweise der Fernzündung von Sprengsätzen - kann die Polizei künftig Anbieter für Telekommunikationsdienstleistungen verpflichten, die Kommunikationsverbindungen eines bestimmten Mobilfunkendgeräts oder in einer bestimmten Mobilfunkzelle zu unterbrechen oder zu verhindern, und zum anderen selbst, zum Beispiel durch den Einsatz bestimmter Störsender, Telekommunikationsvorgänge innerhalb des Sendebereichs des Störsenders unterbrechen oder verhindern. Auf richterliche Anordnung kann zudem zur Abwehr terroristischer Gefahren eine Person dazu verpflichtet werden, ständig ein für die elektronische Überwachung des Aufenthaltsortes geeignetes technisches Mittel ("elektronische Fußfessel") in betriebsbereitem Zustand am Körper bei sich zu führen.

Gruß

DC 😊
_________________
Geborener Hamburger, was sonst!!
Herr Doktor, ich bin pervers, ich sammel Handschellen!! Sad
UT 11-18+19+23
1. Knastbus UT 2015
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden Website dieses Benutzers besuchen
Enris



Anmeldungsdatum: 31.08.2004
Beiträge: 6413
Wohnort: SWP

BeitragVerfasst am: Sa Nov 09, 2019 2:09 pm    Titel: Antworten mit Zitat

Moin DC,

danke für den Beitrag, das ist sehr interessant. Die Rechtslage gerade hinsichtlich Eigensicherung ist unabhängig von irgendwelchen Leitfäden in den Bundesländern sehr unterschiedlich geregelt. Die Regelung in SH zeigt, dass Verhältnismäßigkeit und Rechtsstaatlichkeit gewahrt bleiben sollen, wenn der Polizei bestimmte Befugnisse - endlich rechtlich hinterlegt - zugestanden werden.

Eine bundesweite Vereinheitlichung (z.B. nach dem seit Jahren diskutierten Musterentwurf) dürfte wohl noch auf sich warten lassen. Also aufgepasst, in welchem Bundesland ihr gerade seid Wink!

Schönen Gruß
Enris
_________________
2023
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
MartinStgt



Anmeldungsdatum: 14.02.2010
Beiträge: 1168
Wohnort: Stuttgart

BeitragVerfasst am: Mo Nov 11, 2019 8:41 pm    Titel: Re: Entwurf Polizeirechtsänderung S-H Antworten mit Zitat

Zitat:
Der gezielte, tödlich wirkende Schuss auf einen Menschen soll künftig als ultima ratio zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit zulässig sein. fff

Und wo ist da der Unterschied zu früher? Das war bisher auch erlaubt. Dazu musste man noch nicht mal Polizist sein. Das ist genau der Sinn des Notwehr- und -hilfeparagrafen.

Zitat:
Taser, Bodycams und GPS-Tracker sowie Distanz-Elektroimpulsgeräte

Tja, da ist nach dem LFA, dem Betriebsausflug und der Weihnachtsfeier wohl noch viel Geld übrig!

P.S. Da gerade der "Mauerfall" vor 30 Jahren im Fokus steht, möchte ich auch noch daran erinnern, dass n. m. E. die erste Reaktion von S.-H. auf die Nachricht der Wiedervereinigung die weinerliche Feststellung war, dass die Kosten gefälligst alleine die Geberländer zu tragen hätten!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Enris



Anmeldungsdatum: 31.08.2004
Beiträge: 6413
Wohnort: SWP

BeitragVerfasst am: Mi Nov 13, 2019 1:46 pm    Titel: Re: Entwurf Polizeirechtsänderung S-H Antworten mit Zitat

Hallo auch,

MartinStgt hat folgendes geschrieben:
dancingcane hat folgendes geschrieben:
Der gezielte, tödlich wirkende Schuss auf einen Menschen soll künftig als ultima ratio zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit zulässig sein. fff

Und wo ist da der Unterschied zu früher? Das war bisher auch erlaubt. Dazu musste man noch nicht mal Polizist sein. Das ist genau der Sinn des Notwehr- und -hilfeparagrafen.

Steht da. Wenn Recht und das Verständnis davon so einfach wären, wie du es darstellst, bräuchte es weder so viele Gesetze, noch den ganzen personellen Schabernack außenherum.

Zur Vertiefung:
a) Es gibt nicht allein den §32 StGB als feuchten Traum aller verkniffenen Gerechtigkeitsfetischisten. Allein die Lektüre der ff ist erhellend.
b) Zur gerichtlichen Feststellung einer Notwehrhandlung (nur im Ermittlungsverfahren, d.h. durch Staatsanwaltschaft oder Gericht kann festgestellt werden, ob eine Handlung eine Notwehr war, das geht ausschließlich ex post) sind gewisse Schemata anzulegen. In diesem Schema sind Punkte wie Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Man kann sich auch nicht ex ante, also von vornherein, selbst in eine Notwehrsituation bringen (wäre das nicht aufgrund der Planungskompenente sogar Mord?).
c) Zwar ist es herrschende Meinung, jedoch teilweise umstritten, inwiefern Polizei oder andere hoheitliche Vertretungen in ihrem Handeln dem StGB oder anderen Gesetzen (z.B. StPO) unterworfen sind; schon allein weil es beispielsweise Polizeigesetze gibt, die das hoheitliche Handeln gegenüber dem bürgerlichen Handeln auch einschränken.

Also nochmal, hier ist was da steht:
dancingcane hat folgendes geschrieben:
ultima ratio zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit

Die Aufnahme der Umstände und der Möglichkeit eines "finalen Rettungsschusses" in die Polizeigesetze trägt also zu einer erheblichen Rechtssicherheit bei; und das auch beim Bürger (gut, hilft nix mehr, an einer rechtsmissbräuchlich abgegebenen Polizeikugel gestorben zu sein / andererseits beschränkt es die "Jetzt darf ich Mentalität" der unberufenen Helden). Stell die einfach vor, du wärst bewaffnet, kommst um die Ecke und nimmst zwei (bewaffnete) Polizisten und einen mit einer großen Axt fuchtelnden, schreienden Menschen wahr. Ziehst du deine Waffe und tötest gezielt den Axtfuchtler? Was hast du dabei übersehen?

Wähle also mit Bedacht das Bundesland, in dem dir ein Geiselnehmer eine Knarre an den Kopf hält. Im Falle einer Rechtsunsicherheit (Tatsache vs. gegenwärtige Gefahr) ist es sehr ungünstig, wenn es bloß auf die Tatsache ankommt und du die erste Geisel bist, die erschossen wird, und somit eine Tatsache darstellst. Als zweite Geisel hättest du Glück. Ich müsste jetzt nochmal nachschauen, es sind also jetzt 14 Bundesländern mit einer entsprechenden Regelung, seit das Konzept Anfang der 1970er Jahre entwickelt wurde. (Der erste "Rettungsschuss" in Deutschland beruhte übrigens darauf, dass erst jemand sterben musste, bevor rechtssicher auf den Geiselnehmer geschossen werden konnte.) Trotzdem hoffe ich, niemand von uns kommt je in eine solche Situation (egal in welcher der drei Rollen Geisel, Nehmer, Polizei).

Was hier übrigens nicht steht ist das anschließende Tötungsermittlungsverfahren, das die Umstände (s.o. Schema bei Notwehrdelikten) des Rettungsschusses prüft. Das bedeutet allerdings, nicht in der juristischen Mangel zu versauern, wie wenn man als Täter einen Freispruch aufgrund "Notwehr" gegebenenfalls durch alle Instanzen erreichen muss.

Reicht das als Unterschied?

Schönen Gruß
Enris
_________________
2023
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
WEGA



Anmeldungsdatum: 22.02.2010
Beiträge: 197
Wohnort: Wien

BeitragVerfasst am: Mo Dez 09, 2019 9:45 am    Titel: Re: Entwurf Polizeirechtsänderung S-H Antworten mit Zitat

dancingcane hat folgendes geschrieben:


Anpassung der Sicherstellungs- und Fesselungsbefugnisse

Bisher durfte eine Person erst gefesselt werden, wenn ein Fall der Freiheitsentziehung vorlag. Durch die Änderung wird die Eigensicherung der Polizeivollzugsbeamtinnen- und beamten verbessert, indem eine Fesselung von Personen zukünftig im eng begrenzten Rahmen unter erleichterten Voraussetzungen zulässig ist. Die Fesselung bleibt aber an eine freiheitsbeschränkende Maßnahme im Sinne des Art. 104 GG und das Vorliegen weiterer Voraussetzungen wie Fluchtgefahr oder Widerstandshandlungen angeknüpft. Unter denselben Voraussetzungen dürfen nunmehr bei der angehaltenen oder festgehaltenen Person auch Gegenstände sichergestellt werden, wenn eine missbräuchliche Verwendung durch diese nicht ausgeschlossen werden kann.


Weiß jemand, wie die Änderung im Detail aussieht? Amerikanische Verhältnisse dürften in S-H nach wie vor nicht ausbrechen, aber dennoch dürfte die Handfessel in Zukunft öfter zum Einsatz gebracht werden.[/quote]
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Enris



Anmeldungsdatum: 31.08.2004
Beiträge: 6413
Wohnort: SWP

BeitragVerfasst am: Sa Dez 14, 2019 1:50 pm    Titel: Re: Entwurf Polizeirechtsänderung S-H Antworten mit Zitat

WEGA hat folgendes geschrieben:
Weiß jemand, wie die Änderung im Detail aussieht? Amerikanische Verhältnisse dürften in S-H nach wie vor nicht ausbrechen, aber dennoch dürfte die Handfessel in Zukunft öfter zum Einsatz gebracht werden.

Die Änderung ist im zitierten Artikel beschrieben, darum ging es ja. Und Gegenfrage: Welche amerikanischen Verhältnisse genau? Welcher Staat, welches County?
Und: In welchem Ausmaß schätzt du, dass die Handfessel öfter zum Einsatz gebracht wird (oder anders: gefesselt wird) als bisher?

Danke im Voraus und schönen Gruß
Enris
_________________
2023
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Enris



Anmeldungsdatum: 31.08.2004
Beiträge: 6413
Wohnort: SWP

BeitragVerfasst am: Di Dez 17, 2019 5:48 pm    Titel: Re: Entwurf Polizeirechtsänderung S-H Antworten mit Zitat

Hallo auch,

also hier nochmal die Änderung konkret:
dancingcane, zitiert aus hl-life.de, hat folgendes geschrieben:
Anpassung der [...] Fesselungsbefugnisse

Bisher durfte eine Person erst gefesselt werden, wenn ein Fall der Freiheitsentziehung vorlag. Durch die Änderung wird die Eigensicherung der Polizeivollzugsbeamtinnen- und beamten verbessert, indem eine Fesselung von Personen zukünftig im eng begrenzten Rahmen unter erleichterten Voraussetzungen zulässig ist. Die Fesselung bleibt aber an eine freiheitsbeschränkende Maßnahme im Sinne des Art. 104 GG und das Vorliegen weiterer Voraussetzungen wie Fluchtgefahr oder Widerstandshandlungen angeknüpft.

Am Rande bemerkt, der Presseartikel entspricht exakt der Pressemeldung des entsprechenden Ministeriums (vgl. hier).
Im zitierten Artikel geht es ausschließlich um Schleswig-Holstein. Andere Länder oder der Bund (Bundespolizei) haben eigene, teils ähnliche, teils abweichende Regelungen. Offenbar ist genau das der Punkt, die Möglichkeiten zu nutzen.

Ein bisher noch nicht umgesetzter bundesweiter Musterentwurf zum Polizeigesetz definiert die Fesselungsbefugnis in einer alten Fassung so:
Eine Person, die nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten wird, darf gefesselt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Polizeibeamte oder Dritte angreifen, Widerstand leisten oder Sachen beschädigen wird.

Und in Schleswig-Holstein gilt bis zur Verabschiedung des neuen Gesetzes der entsprechende Paragraf im Landesverwaltungsgesetz:
§ 255
Fesselung von Personen

Eine Person, die nach diesem Gesetz oder anderen Gesetzen festgehalten wird, darf gefesselt werden,

1. wenn Tatsachen dafür sprechen, daß sie
a) andere Personen angreifen oder Sachen von nicht geringem Wert beschädigen wird,
b) fliehen wird oder befreit werden soll oder
c) sich töten oder verletzen wird,

2. wenn sie Widerstand leistet.


Fesseln ging doch, oder? Wozu braucht es dann erleichterte Bedingungen? Ganz wesentlich in der Rechtsauffassung ist der Begriff der "Tatsache". In anderen Bundesländern steht hingegen nicht die "Tatsache", sondern die "Gefahr" im Vordergrund.

Nehmen wir beispielsweise das Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gleich nebenan, also aus Hamburg:
§ 23 SOG – Fesselung von Personen

Eine Person darf nur gefesselt werden, wenn sie sich im amtlichen Gewahrsam befindet, nach einer anderen Rechtsvorschrift vorgeführt oder zur Durchführung einer Maßnahme an einen anderen Ort gebracht wird und
a) die Gefahr besteht, dass sie Personen angreift, Sachen beschädigt, oder wenn sie Widerstand leistet;
b) sie zu fliehen versucht oder besondere Umstände die Besorgnis begründen dass sie sich aus dem Gewahrsam befreien wird oder dass ihre Befreiung durch andere Personen zu befürchten ist;
c) die Gefahr besteht, dass die Person sicherzustellende Gegenstände beiseite schafft oder vernichtet;
d) die Gefahr der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht.


Beachte hier sogar die Forumulierung der "Besorgnis" oder "Befürchtung".

Der Unterschied ist, eine Tatsache ist objektiv zu belegen (für jedermann unmittelbar einsichtig), also nicht erst interpretationsbedürftig. Eine Gefahr hingegen ist subjektiv; was Beamter Hinz als Gefahr sieht, muss Beamter Kunz nicht so sehen. Wenn Beamter Hinz aus Schleswig-Holstein dann fesselt, ohne eine Tatsache für seine Einschätzung beizubringen, handelt er rechtswidrig. Ist er in Hamburg bedienstet, handelt er rechtmäßig.

Wieder etwas anders ist es z.B. in Baden-Württemberg, wo die Verwaltungsvorschrift zum § 52 deren Polizeigesetzes sogar die "Umstände des Einzelfalls" aufnimmt. Fesselung ist also auch ohne Tatsache, Gefahr, Besorgnis oder Befürchtung möglich. Und in Sachsen gibt es m.W. keine erläuternde Vorschrift, außer dass Fesseln eben verhältnismäßig sein soll (also eher wie im US-Krimi, wo scheinbar jeder Pizzabote gefesselt wird, bis der Belag überprüft wurde).

Den Schleswig-Holstein'schen Entwurf konnte ich nicht recherchieren. Ich vermute dem Tenor der Berichte nach, dass zumindest auch bei subjektiver Gefahreneinschätzung Fesselungen rechtmäßig sein werden.

Ich hoffe, ich konnte den Kern der Änderung etwas verdeutlichen.

Schönen Gruß
Enris
_________________
2023
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
dancingcane



Anmeldungsdatum: 11.05.2007
Beiträge: 3450
Wohnort: ca. 65km vor den Toren Hamburgs

BeitragVerfasst am: Di Dez 17, 2019 9:05 pm    Titel: Antworten mit Zitat

Ich weiß immer nicht wo das Problem ist. Ich denke das die Polizei zusehr der Prügelknabe der Nation ist. In US ist das besser. Da wird gleich eingetütet und gut. Schutz- und Selbstschutz liegen da nahe beieinander. Meist hat der gefesselte doch Dreck am Stecken. Hat er es nicht, der Verdacht später unbegründet sollte es kein Recht zum Klagen geben. Solange der Gefesselte gut behandelt wird, die Schellchen nicht zu eng sind ist doch alles ok. Die Beamten müssen immer unsicher sein gesetzeskonform ihren Dienst zu verrichten. Keine gute Basis.
_________________
Geborener Hamburger, was sonst!!
Herr Doktor, ich bin pervers, ich sammel Handschellen!! Sad
UT 11-18+19+23
1. Knastbus UT 2015
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden Website dieses Benutzers besuchen
WEGA



Anmeldungsdatum: 22.02.2010
Beiträge: 197
Wohnort: Wien

BeitragVerfasst am: Do Dez 19, 2019 5:27 pm    Titel: Antworten mit Zitat

Vielen Dank für die Info. Aus den Rechtstexten sieht man mehr als wenn man nur die Pressemitteilung liest. Das Problem ist, dass die Polizeibeamten in einer bestimmten Situation handeln müssen. Daher ist es meiner Meinung nach angemessen, wenn man die subjektive Einschätzung eines ordentlichen Polizeibeamten in der jeweiligen Situation als Maßstab heranzieht. Es hilft nun mal nichts, wenn hinterher Tatsachen aufkommen, die gegen die Fesselung sprechen.

Es ist daher vernünftig, auf die Gefahr (bzw. die Einschätzung einer Gefahrenlage) abzustellen und nicht auf Tatsachen (die man womöglich dann ex post betrachtet). Es sollte gefesselt werden dürfen, wenn der einschreitende Beamte nach vernünftigem Ermessen davon ausgehen kann, dass eine Gefahrenlage besteht, die eine Fesselung des Gegenübers rechtfertigt.

Es muss ja nicht gleich jeder Pizzabote gefesselt werden. Vielleicht findet man die goldene Mitte. Eine Fesselung ist unangenehm, aber in bestimmten Situationen wiegt die Sicherheit der Beamten oder der Allgemeinheit höher und der Betroffene muss die Fesselung hinnehmen. Die Amis haben uns das Bewusstsein voraus, dass nicht jeder, der Handschellen oder sonstige Fesseln anhat automatisch ein Schwerverbrecher sein muss.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
MartinStgt



Anmeldungsdatum: 14.02.2010
Beiträge: 1168
Wohnort: Stuttgart

BeitragVerfasst am: Do Dez 19, 2019 11:28 pm    Titel: Antworten mit Zitat

WEGA hat folgendes geschrieben:
Es muss ja nicht gleich jeder Pizzabote gefesselt werden.

Wäre aber eine Überlegung wert:
Letztens habe ich eine Pizza bestellt, es gab zwei Größen zur Wahl: 30 bzw. 26 cm Durchmesser. Ich habe die große bestellt, nach der Lieferung fiel mir das Schlackern in der sicherlich maßgefertigten Schachtel auf und ich habe nachgemessen: 28 cm!
Nun würde der Verteidiger sicherlich argumentieren, dass die gelieferte Pizza nur 12,9% kleiner als die bestellte und somit noch im Rahmen der Toleranz wäre, während der Staatsanwalt wohl ausführen würde, dass die bestellte Pizza immerhin 14,8% größer als die gelieferte sei, was jeden Toleranzrahmen sprengen würde.
Der Verteidiger würde ergänzen, an jeder Seite würde ja nur 1 cm fehlen, der Staatsanwalt würde kontern, dass die Lieferung näher an der kleinen als an der großen Pizza läge, da die Mitte bei 28,07 cm läge.
Ich habe bei einer späteren Bestellung einen kleinen Rabatt gekriegt.

Zitat:
Die Amis haben uns das Bewusstsein voraus, dass nicht jeder, der Handschellen oder sonstige Fesseln anhat automatisch ein Schwerverbrecher sein muss.

Wen meinst du denn mit "uns"? Findest du nicht, dass in diesem Zusammenhang Kategorisierungen wie "Die Amis" und "uns" etwas zu pauschalisierend sind? Vorsichtig ausgedrückt. Es gibt wohl in beiden Gruppen solche und solche.
Ich jedenfalls sehe in einem, der Handschellen anhat, nicht automatisch einen Schwerverbrecher.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Enris



Anmeldungsdatum: 31.08.2004
Beiträge: 6413
Wohnort: SWP

BeitragVerfasst am: Sa Dez 21, 2019 2:46 pm    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo auch,

dancingcane hat folgendes geschrieben:
Ich weiß immer nicht wo das Problem ist. Ich denke das die Polizei zusehr der Prügelknabe der Nation ist. In US ist das besser. Da wird gleich eingetütet und gut. Schutz- und Selbstschutz liegen da nahe beieinander. Meist hat der gefesselte doch Dreck am Stecken. Hat er es nicht, der Verdacht später unbegründet sollte es kein Recht zum Klagen geben. Solange der Gefesselte gut behandelt wird, die Schellchen nicht zu eng sind ist doch alles ok. Die Beamten müssen immer unsicher sein gesetzeskonform ihren Dienst zu verrichten. Keine gute Basis.

"Meist hat der gefesselte doch Dreck am Stecken" "Müssen immer unsicher sein gesetzeskonform ihren Dienst zu verrichten. Keine gute Basis" Wie jetzt? Anders gesagt: Häh?

Du weißt selbst, dass das ausgemachter bullshit ist, oder? Und das die Hälfte davon nicht stimmt oder bloße Annahme ist, ja? Da wird nicht jeder gleich eingetütet und gut. Und wenn eingetütet wird, hat das andere Gründe. Lass doch bitte den Vergleich mit den USA, die aus Gewinngründen in allen Bereichen unsere Kultur unterwandern. Es hört sich so an, als wenn du deiner Frau halbherzig sagst, dass du sie liebst, aber eigentlich eine andere ficken willst. Denk immer daran, die USA ficken dich, wenn du sie lässt.

Glaubst du nicht? Fake mal einen Post in dem steht, im Karstadt wird der Weihnachtsmann nicht mehr in einem roten, sondern in einem grünen Kostüm die Wünsche der Kinder anhören. Man wird dich fragen, ob das nicht den Untergang des Abendlandes bedeutet, wenn diese deutsche Tradition des roten Nikolauskostüms jetzt gebrochen wird.

Der rote Nikolaus ist Coca-Cola. Fakt.

"Wer ein Stück Freiheit für ein Stück Sicherheit aufgibt, verdient beides nicht." (aus dem Umfeld von Thomas Jefferson, einer dieser Gründeronkels der United States of America)

Aber du möchtest, dass die Freiheit der Bürger für die Sicherheit der Staatsvertreter zurücktreten muss?

Meine Geschreibsel war umsonst, nicht nur hier, auch die vielen anderen Texten. Ich sollte es lassen, dann muss ich mich nicht mehr mit solchem Verrat an us-amerikanischer Verfassung und deutschem Grundgesetz auseinanderschlagen. Dort stehen Mensch und Freiheit im Vordergrund, nicht in kafkaesker-stasiesker Perversion Staatsmacht und Verdacht.

Du beklagst einerseits, die Polizei sei der Prügelknabe der Nation, forderst dafür andererseits, man solle die exekutiven Rechte nicht so weit beschränken. Sag mir, wie das gehen soll, Respekt durch Respektlosigkeit zu bekommen! Respekt ist Aufschauen. Angst ist Wegschauen. Willst du Vopos und Stasi zurück, die Kafka als Lehrbuch bekommen? Gerade in den USA ist aus den schlechten Erfahrungen als Nachwehen zu den "zero tolerance"-Bedingungen in NYC unter Koch dazu gekommen, gerade nicht hart und unverrückbar aufzutreten. Ja, anfangs sank die Kriminalitätsrate (obwohl die wenigen mordfreien Wochenenden in NYC nicht darauf zurückzuführen sind). Dann stieg das Misstrauen in die Institution, die den Bürger schützen soll.

Fang bei dir an. Sei aufrecht, fair und liebevoll. Lebe das und sage das. Sprich besser von bemühten Menschen, die in manchen Situationen Pech haben und das Falsche tun, statt von Menschen, die Dreck am Stecken haben. Hilf ihnen, demütige sie nicht! Welches Bild kommt den rüber? In einem sehr sicheren Industrieland haben Leute Angst, weil man stets sagt, dass man niemanden trauen kann, man Maßnahmen ergreifen muss. "Die Polizei müsste mal..." Muss sie nicht. Wir müssen. Den Satz von Kennedy haben uns Jammereuropäern die Amis voraus: "was du für dein Land tun kannst". Heulen und Zähneknirchen hat er damit nicht gemeint. Dafür gibt's wahrscheinlich nichtmal eine englische Übersetzung (vielleicht "german angst"?).

WEGA hat folgendes geschrieben:
Vielen Dank für die Info. Aus den Rechtstexten sieht man mehr als wenn man nur die Pressemitteilung liest. Das Problem ist, dass die Polizeibeamten in einer bestimmten Situation handeln müssen. Daher ist es meiner Meinung nach angemessen, wenn man die subjektive Einschätzung eines ordentlichen Polizeibeamten in der jeweiligen Situation als Maßstab heranzieht. Es hilft nun mal nichts, wenn hinterher Tatsachen aufkommen, die gegen die Fesselung sprechen.

Genau die subjektive Einschätzung eines ordentlichen Polizeibeamten ist ein Knackpunkt. Das war auch ein Thema einer Studie zur Eigensicherung, die das Bundeskriminalamt mal durchgeführt hatte. Aus dieser Studie habe ich auch die Hinweise bekommen, nach den Landesgesetzen zu schauen, die zwischen Tatsachen, Gefahren und Befürchtungen unterscheiden.

Nochmal zur Verdeutlichung: Die Fesselung ist nur eine - ich nenne es mal - Technik der Eigensicherung. Betrachten wir Eigensicherung als Methode sind folgende Punkte vorauszusetzen:
(Aus dem Vorwort zum Leitfaden Eigensicherung)
"Sie sind Gefahren nciht schutzlos ausgeliefert. Sie haben es in der Hand, Risiken zu minimieren.

Seien Sie sich der Gefahren gerade in vermeintlich harmlosen Situationen ständig bewusst.
Handeln Sie überlegt und bestimmen sie aktiv die Geschehensabläufe. Pasivität kann tödlich sein. Es kommt entscheidend auf Ihre Einstellung, ihre körperliche Leistungsfähigkeit und auf Ihr Handeln an.

Eigensicherung steht nicht im Widerspruch zu Bürgernähe.
Niemand will, dass Sie Bürgern nur noch mit gezogener Dienstwaffe gegenübertreten. Wichtig ist aber, dass Sie jederzeit wachsam bleiben. Nur so können Sie entstehende Gefahren erkennen und gefährliche Situationen beherrschen.

Eigensicherung ist weder Schwäche noch Furcht, sondern verantwortungsvolles professionelles Handeln."

(Die mir vorliegende Ausgabe des Leitfadens wurde vom Innenminister des entsprechenden Bundeslandes als verbindlich erklärt.)

Eigensicherung kann man also schwerlich so verstehen, Niederknüppeln, Fesseln, Niederschießen. Ganz im Gegenteil. Im Abschnitt "Aktion" zum Thema "Einsatzmodell" (wie läuft ein Einsatz schematisch ab), gibt es folgendes zu lesen:
"Die Sprache ist zunächst das wichtigste Mittel zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben. (...) Treten Sie freundlich, sachlich und ohne Parteinahme auf. Professionelle, ständige und offene Kommunikation kann Ihnen helfen, Konfliktsituationen besser zu bewältigen oder zu vermeiden."

Ich lese es so: Der unprofessionelle, unaufmerksame und selbstunsichere Typ (Loser) muss sich auf seine Einsatzmittel (Handschellen, Taser, Schusswaffe usw.) verlassen. Der Profi (Winner) hingegen übernimmt das Handeln ("wer fragt, der führt"), kennt durchaus seine Einsatzmittel, wird wohl auch nicht zögern, sie einzusetzen, verlässt sich jedoch nicht allein darauf. "Beobachten, Fragen, Ansagen" halte ich besser als "Schießen, Fragen, Saubermachen".

Kommunikation als wichtigstes Mittel, Bürgernähe. Hier sind auch wichtige Begriffe drin, welche zum Kern der Institution Polizei überhaupt gehören. Sprüche wie "mein Freund und Helfer" oder "to serve and protect" waren mal Gedanken, die wahrhaft aufrechte Bürger gegenüber der Polizei hatten und keinen feigen Stinkefinger in der Hosentasche.

Die Polizei ist gerade nicht die "thin blue line" (dünne blaue Linie), welche die Guten von den bösen trennt, also den millionenschweren Konkursbetrüger vor dem Taschendieb, der wegen ersterem Job und Haus verloren hat. Kriminalität und was wir dafür halten ist höchst komplex. Wir haben trotz rückläufiger Straftaten und steigender Aufklärung eine steigende Kriminalitätsfurcht. Es mag sein, dass einzelne Beamte (und so mancher besorgter Bürger) das so sehen, dass es bloß zwei Lager gibt, böse Stiefmutter und guter Prinz. Damit liegt man falsch, was Dienstverfahren gegen Abzeichen, welche die Polizei als selbstherrlichen Machtfaktor erscheinen lassen, belegen.

Die Beamten vor Ort sollen (und im besten Fall wollen) rechtssicher handeln. Es sollen gerade eben nicht hinterher Tatsachen auftreten, was in juristischer Sicht m.E. absurd ist (Tatsachen sind von Anfang an vorhanden, außer der Beamte steckt dem Festgenommenen eine illegale Waffe zu). Ich verstehe das Problem, was jedoch lösbar ist:
Angenommen, man führt in Deutschland die Auffassung Baden-Württembergs ein, wonach Besorgnis oder Befürchtung den Einsatz von Zwangsmitteln bei Maßnahmen der Eigensicherung rechtfertigen. (Mit jemandem freundlich zu sprechen ist ja auch schon eine Maßnahme der Eigensicherung, wie oben aus dem Leitfaden Eigensicherung zitiert wurde). Auf Eskalationsstufen (Ansprechen, Androhen, Durchführen) gehe ich aus Trivialitätsgründen nicht ein. Wer gleich schießen will oder "will, dass jemand bestraft wird" (Hausmeister Filch), den interessiert das nicht, ist aber auch für den Polizeidienst ungeeignet.

Zurück zur BKA-Studie. Ein Ergebnis (das ist jetzt verkürzt dargestellt) der BKA-Studie ist, dass die Unsicherheit im Einsatz auf zu wenig Ausbildung und mangelnde Information (auch bei Einsatztrainern!) zurückzuführen ist.

Eurer Tenor ist der "gesunde Menschenverstand", die "Vernunft", "subjektive Einschätzung des ordentlichen Beamten". So etwas gibt es nicht. Im Ernst, könnt ihr recherchieren, kein Mensch ist zu einer vernunftgeleiteten Wahrnehmung fähig. Lest meine Beiträge, lest eure. Vernunft?

Die Studie hat unter anderem Beamte nach ihrer Einschätzung verschiedener Szenarien gefragt. Beispielsweise:
- Frau bei mutmaßlichem Ladendiebstahl. Verhält sich distanziert. Polizeibekannt. Mehrfach vorbestraft wegen Drogen-, Eigentums- und Gewaltdelikten.
- Mann bei mutmaßlichen Schwarzfahren. Verhält sich kooperativ. Unbestraft, keine Hinweise in der Datenbank. Große, sportliche Erscheinung, Sidecut, tätowiert.

Wer, glaubt ihr an die reine Vernunft glaubenden Menschen, wurde öfter gefesselt (also in der Befragung)?
Stop! Bevor ihr antwortet ein Einspieler:
Notgeile männliche Sadomasochisten wollen immer die Frau fesseln. Ich weiß. Polizisten haben üblicherweise ein weniger paraphiles Denkmuster. Und selbst ich notgeiler männlicher Sadomasochist möchte nicht unbedingt so eine abgewrackte Beschaffungskriminelle fesseln, da bleiben die Handschellen dran kleben oder verätzen an ihr, bäh...
So jetzt eure Antwort...

Auflösung: Bei der Frau liegen Tatsachen vor (vorherige Gewaltverbrechen), weswegen eine Fesselung in Betracht gezogen werden könnte. Trotzdem kam in der Studie kaum ein Beamter auf die Idee, sie zu fesseln.
Anmerkung von mir: Sie könnte ins Delir fallen oder wegen einer drohenden Inhaftierung Panik bekommen, um sich schlagen und beißen, dadurch einen Beamten mit schweren Krankheiten infizieren (ich hatte mal mit einem Polizisten gesprochen, der sich in einem etwas anderen Fall mit Hepathitis C infiziert hat. Üble Sache.)

Bei dem Mann liegen weder Tatsachen noch Gefahren vor. Manche Beamte wollten trotzdem eine Fesselung vornehmen, wegen der subjektiven Einschätzung. Tja, Kooperation hilft nicht. Aussehen wir ein Bundesligaprofi stempelt dich zum gefährlichen Kriminellen. (In manchen Bundesländern ist es rechtsgemäß, in anderen rechtswidrig.)

Und hier liegt für mich der Hund begraben:
Eine gefährliche Gewohnheitskriminelle bleibt unbehelligt, ein Sportlehrer mit verlorener Bahnkarte wird gefesselt.

Wer jetzt denkt, ist ok, hat m.E. die Rechtssicherheit gar nicht verdient, die er wie selbstverständlich in Anspruch nimmt. Du bist nicht der Sportlehrer nein, aber vielleicht der Typ an der Tanke, der zufällig ein ähnliches Auto fährt wie der Räuber, der gerade auf der Flucht ist. Siehst zwar anders aus, wirst aber trotzdem festgenommen, deine Schulter wird dabei ausgekugelt, weil du vor lauter Überraschung stockst (eigentlich Instinktreaktion) und zu Boden gebracht werden musst, damit man dich fesseln kann. Ist ok, oder? Schimpf und Schande (deine Nachbarin wird es sagen, so laut geflüstert, dass du es noch hören kannst: "da muss doch etwas dran sein, sonst hätten die ihn ja nicht festgenommen). Krankenschein, Job weg, Gesichtsverlust. Klageerhebung: "Musst ja keinen dunkelgrauen Kombi fahren, wenn gerade nach einem schwarzen der gleichen Marke gefahndet wird!".
Absurd? So passiert in Deutschland. Erst der Bundesgerichtshof hat dem Mann ein Schmerzensgeld zugesprochen. Er hät's lieber nie benötigt.

Habt ihr es jetzt so grob die Richtung, worum es bei diesen Detailregelungen geht? Ein wichtiger Rechtsgrundsatz lautet "et altera pars" (auch die andere Seite (ist zu hören)). Ich habe nichts dagegen darüber zu diskutieren, wie sich Polizei gegen zunehmende Übergriffe aufstellt, so lange es rechtsstaatlich ist. Den Staat oder seine Organe zu stärken und auch nur einen Bürger zum Kollateralschaden dessen zu machen, verrät den Geist jeder demokratischen Verfassung.

Es muss auch im Nachhinein dem aufgebrachten Bürger erklärt werden können, warum in dieser Situation eine Maßnahme der Eigensicherung eingesetzt wurde, welche die Freiheit des Bürgers eingeschränkt hat. Da gibt es nichts hinterher auszudenken. Der Beamte soll aufmerksam und gut ausgebildet sein, einen guten Stand haben und dem Bürger selbstbewusst als Vertretung des Staats auftreten, dem der Bürger Disziplin schuldig ist, wenn er auch dessen Souverän ist.

Abstrakte Begriffe wie "öffentliche Ordnung" sind Floskeln ungebildeter Politiker oder Journalisten, die ein ebensolches Publikum haben. Wir brauchen keine projizierte Speichelleckung an einem auf einen Polizeibeamten reduziertem Symbol staatlicher Macht, renfieldisch oder orkhaft einer freudschen Vaterfigur ausgeliefert, sondern Aufrichtigkeit, Freiheit, Würde und Respekt, damit wir Frieden, Freude, Eierkuchen und Glück finden können. Anders gesagt, es geht nicht an, das Gewaltpotenzial des Staats zur stärken, weil einige Schreihälse zu blöd sind, ihre Freiheit in Anspruch zu nehmen oder Spaß am Leben zu haben.

Den roten Faden wieder aufgenommen heißt das, wenn ich die Verfahren der Polizei vereinfachen möchte, Rechtsunsicherheit minimieren, staatlichem Handeln zu Respekt verhelfen möchte, ja, dann muss es gute und klare Einsatzregeln geben:
Dann kann die subjektive Einschätzung des Beamten als die entscheidende Instanz klar herausgestellt werden. Das sollte so in den Polizeigesetzen festgehalten werden. Dabei muss aber eine gute Ausbildung dahin erfolgen, dass der Beamte gewisse Leitlinien oder -planken verinnerlicht, damit er eben nicht willkürlich handelt.

WEGA hat folgendes geschrieben:
Es ist daher vernünftig, auf die Gefahr (bzw. die Einschätzung einer Gefahrenlage) abzustellen und nicht auf Tatsachen (die man womöglich dann ex post betrachtet). Es sollte gefesselt werden dürfen, wenn der einschreitende Beamte nach vernünftigem Ermessen davon ausgehen kann, dass eine Gefahrenlage besteht, die eine Fesselung des Gegenübers rechtfertigt.

Diesem Vorschlag kann ich gut folgen. Denn du hast gleich mehrere Aspekte bedacht:
- Tatsachen (mit meiner Einschränkung, dass ex-post-Tatsachen in der Situation keine Rolle spielen, da es so etwas - streng genommen - nicht gibt. "Hinterher ist man immer schlauer" ist kein juristisches Prinzip. Man muss nehmen, was da ist.)
- Gefahr und
- Befürchtung bzw. Besorgnis.

Ebenfalls gehe ich davon aus, dass die Situation anders nicht mehr beherrschbar ist. Ist Fesselung der erste Schritt, sind wir schon falsch. Vorher müssen andere, weniger eingreifende Maßnahmen erfolgt sein.

Ich möchte deinen Satz so formulieren:
"Wenn der Beamte nach günstigem Ermessen davon ausgeht, dass eine Gefahrenlage entstehen kann."

"Günstig" heißt hier wieder die Rechtsstaatlichkeit. "Vernünftig" ist mir zu subjektiv, da ein Beamter mit Hoheitsrechten weder nach Gutdünken, noch nach zig Überstunden emotional handeln darf (die idealtypische Konstellation eines emotionslosen, aber "vernünftig" handelnden Menschen findet sich allenfalls im psychopathischen Bereich, wovon viele Individuen jedoch entweder hilfebedürftig oder amoralisch sind). Die "Was haben wir hier"-Mentalität eines mental abwesenden und dümmlich-ernst schauenden Tatortkommissars ist eine recht kindliche Vorstellung von Polizeiarbeit. Gesetze und Rechte sind bekannt. Einsatzregeln sind verinnerlicht. Das handeln ist demnach "richtig", ebenfalls die Einschätzung der Situation. Beispiele: Personen in psychischen Ausnahmesituationen. Eingreifende Schaulustige. Das zu meistern gehört schon in die Ausbildung. Dann braucht's keine Vernunft mehr, sondern gute Routine, Wachsamkeit und Einsatzwillen.

Daraus sollte auch eine gewisse Regelmäßigkeit entstehen, damit auch das Unterlassen der Fesselung nicht ins Ermessen fällt. Siehe oben: Es könnte fatal sein, die Kriminelle nicht zu fesseln. Das nicht zu tun aus Gründen einer "Ritterlichkeit" ist Gutdünken, aber nicht "ordentlich".

Wenn die Regeln so ausgestaltet werden, kann es legitim sein, unter folgenden Bedingungen auch den Schwarzfahrer zu fesseln: Er ist nicht allein, auch wenn er freundlich wirkt, ziehen seine Freunde schon kampfbereite Mienen (könnte man z.B. die Erkenntnisse des auch bei Polizeitrainern bekannten Paul Ekman heranziehen). Die Gefahrenlage ist größer als 0, die Fesselung kann zur Deeskalation beitragen, da der Hauptakteur aus der Situation genommen wird. In Baden-Württemberg z.B. wäre das denkbar (in Sachsen auch, weil die keine Regeln zur Fesselung haben).

Ich bin dagegen, grundsätzlich jeden zu fesseln. Das geschieht in vielen Countys und Cities in den USA auch nicht. Aber so lange die "code of conducts" in den USA offenbar nur aus TV-Serien zitiert werden, soll mir das ab jetzt gleich sein.

Übrigens, im genannten Leitfaden wird auch erwähnt, dass eine freiheitsentziehende Maßnahme eine nicht zu unterschätzende Gefahrenquelle darstellt. Das Androhen, Ankündigen oder Durchführen einer Fesselung kann also schon die Situation deeskalieren lassen. Der Umkehrschluss kann sein, durch den Verzicht eine Situation zu entspannen.

MartinStgt hat folgendes geschrieben:
WEGA hat folgendes geschrieben:
Die Amis haben uns das Bewusstsein voraus, dass nicht jeder, der Handschellen oder sonstige Fesseln anhat automatisch ein Schwerverbrecher sein muss.

Wen meinst du denn mit "uns"? Findest du nicht, dass in diesem Zusammenhang Kategorisierungen wie "Die Amis" und "uns" etwas zu pauschalisierend sind? Vorsichtig ausgedrückt. Es gibt wohl in beiden Gruppen solche und solche.
Ich jedenfalls sehe in einem, der Handschellen anhat, nicht automatisch einen Schwerverbrecher.

Ein wichtiger Aspekt, gut, dass ihr ihn ansprecht. Tatsächlich ist es nicht nur pauschalisierend.

Gerade in den US ist es approbates Mittel der Staatsmacht, einen Gefangenen gefesselt vorzuführen um zu zeigen, dass der Täter dingfest gemacht wurde ("perp walk", während so einem wurde ja Lee Harvey Oswald erschossen). Er muss nur noch verurteilt und bestraft werden. Und das passiert auch oft. Die häufigen Fehlentscheidungen (unschuldig verurteilt, wenn Unschuld bewiesen ist z.B. wg. Nachweis der Schuld eines anderen, wird der andere aber nicht unbedingt belangt; oder auch keine Klageerhebung, auch wenn der Täter von 100 Zeugen und live im Fernsehen zu sehen war, USA sind anders) belegen das. Da auch in allen Staaten der USA die Unschuldsvermutung gilt, ist diese "Demütigungsfolklore" gerade in den USA ein ständiges Diskussionsthema.

Man spricht von der "Kultur des Prangers", die von den USA ausgeht und die, ganz offensichtlich, auch hier grassiert wie eine Gehirnpest. In "ye olde europe" ist es in vielen Staaten verboten, etwa gefesselte Personen abzulichten (Frankreich) oder gefesselt dem Richter vorzuführen (Deutschland). In den USA hingegen, wenn du Kind oder Jugendlicher bist, die Sprache nicht sprichst und der illegalen Immigration beschuldigt wirst, dann wirst du in Handschellen nach mehrstündigem Warten dem Richter vorgeführt (ohne Rechtsbeistand, versteht sich, den lernst du im Gerichtssaal kennen; und ein Elfjähriger muss aufpassen, dass ihm die Handschellen nicht von den Händen rutschen...). Oder Radfahren auf dem Gehweg in NYC, zack, Handschellen hinter dem Bauch, drei Tage Knast, Ausbildungsplatz und Fahrrad weg, Dealerkarriere beginnt. So ist das halt. Die haben Dreck am Stecken.

Sich dann noch zu fragen, woher diese krasse Kriminalitätsrate in den US kommt, halte ich für einen Beleg der Thesen von Dunning & Kruger. Auch dazu kann man eine Meinung haben. Nur, Meinungsfreiheit ist keine Meinungspflicht, das vergessen viele. Und ich halte es sowieso lieber mit der Wissensfreiheit. Meinung gibt's nur eine. Wissen unendlich viel.

Schönen Gruß
Enris

PS: Einen Rabatt für die nächste Pizza zu bekommen ist eine bessere und vernünftigere Lösung, auch den Pizzabäcker in Handschellen abzuführen.
_________________
2023
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
dancingcane



Anmeldungsdatum: 11.05.2007
Beiträge: 3450
Wohnort: ca. 65km vor den Toren Hamburgs

BeitragVerfasst am: Sa Dez 21, 2019 4:38 pm    Titel: Antworten mit Zitat

Man muss nicht gleich jeden fesseln. Nur auch die Möglichkeit eröffnen das Polizisten gut aus der Nummer rauskommen. Ein verklagen wegen einer Fesselung sollte nicht immer möglich sein. Nur weil jemand das für nicht angemessen hält weil er aus guten Hause kommt und einen tollen Rechtsverdreher hat und sich den auch leisten kann. Polizisten sollten auch ohne Angst Fesseln einsetzen können. Die Polizei wird oft aus einem Verein „blasser grüner Knaben“ verschrien. Respekt sollte gegenüber denen schon vorhanden sein, dann klappt es auch mit dem Polizisten.
_________________
Geborener Hamburger, was sonst!!
Herr Doktor, ich bin pervers, ich sammel Handschellen!! Sad
UT 11-18+19+23
1. Knastbus UT 2015
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden Website dieses Benutzers besuchen
Enris



Anmeldungsdatum: 31.08.2004
Beiträge: 6413
Wohnort: SWP

BeitragVerfasst am: So Dez 22, 2019 9:12 am    Titel: Antworten mit Zitat

Moin DC,

da sind echt gute Gedanken drin.

dancingcane hat folgendes geschrieben:
Man muss nicht gleich jeden fesseln. Nur auch die Möglichkeit eröffnen das Polizisten gut aus der Nummer rauskommen. Ein verklagen wegen einer Fesselung sollte nicht immer möglich sein. Nur weil jemand das für nicht angemessen hält weil er aus guten Hause kommt und einen tollen Rechtsverdreher hat und sich den auch leisten kann. Polizisten sollten auch ohne Angst Fesseln einsetzen können.

Das kann gehen, wie oben auch WEGA vorgeschlagen hat, wenn man als Polizist seinen Verdacht begründen kann, der/die Festgenommene könnte eine Gefahr darstellen. Es reicht eine Änderung im Polizeigesetz so, wie es jetzt in Baden-Württemberg ist. Und von dort hören wir nicht täglich einen übertriebenen Einsatz von Handfesseln.

Haben die Beamten vor Ort eine entsprechende Befugnis, gibt das schon Sicherheit. Je sicherer man mit etwas ist, desto geringer ist das Risiko einer falschen Anwendung.

Man hat quasi den Kopf frei, genau auf die Situation zu achten. Oft sind es Kleinigkeiten, die einen verraten. Einer der dich anlächelt, aber unnauffällig in seine Tasche zu greifen versucht. Passanten, die langsam eine gewisse Position einnehmen usw. Diese oder andere Beobachtungen sowie Einsatzerfahrung können dann die Fesselung rechtfertigen, wenn entsprechenden Aufforderungen nicht gefolgt wurde.

dancingcane hat folgendes geschrieben:
Die Polizei wird oft aus einem Verein „blasser grüner Knaben“ verschrien. Respekt sollte gegenüber denen schon vorhanden sein, dann klappt es auch mit dem Polizisten.

Das ist ein ganz großes Problem. Im Kleinen kann man zur Lösung beitragen. Es gibt diese Geschichte, Papa fährt mit der Kleinen in die Stadt, er kommt an einer Verkehrskontrolle vorbei, wird aber durchgewunken. Trotzdem sagt er, "scheiß Bullen, halten nur den Verkehr auf, diese Raubritter zocken ja bloß die Leute ab", er klingt dabei sehr verärgert (hat wohl noch sein letztes Bußgeld im Kopf). In der Stadt sagt er dann zur Kleinen, "wenn du dich verläufst, geh zu einem Polizisten, der hilft dir. Sprich auf keinen Fall einen Fremden an". Man kann es sich ausrechnen, fast drauf wetten, dass das Kind ganz sicher nicht zu einem "scheiß Bullen" oder "Raubritter" gehen wird, weil diese Typen den Papa so geärgert haben.

Es ist leider Volkssport, die Polizei als gemeinsamen Gegner anzusehen. In üblen Zeiten sehnt man sich nach Gemeinsamkeit. Die kleinste Gemeinsamkeit, die Menschen haben, ist ein geteiltes Feindbild ("der Feind meines Feindes ist mein Freund").

Statt in die Tiraden einzustimmen, wenn wieder einer am Stammtisch anfängt von wegen, "die scheiß Bullen haben mir schon wieder..., bloß weil ich ein bisschen zu schnell...", kann man so reagieren:
"Hast du Kinder? Macht's dir Spaß, sie totzufahren? Bist gern'n Killer, was? Das wievielte Mal? Dass man sonem Kriminellen den Führerschein lässt, ich würd dir..." Oder so. Ist natürlich leichter, ins gleiche Horn zu blasen, um nicht abseits zu stehen. Traurig aber wahr, es ist berechenbar.

Die etwas größere Anforderung wäre natürlich, ein aufrechter Bürger zu sein. Gerade keiner von denen, die sich "aufrecht" nennen, jedoch den Staat anzweifeln. Die das Recht nicht kennen, nur ihrs. "Ich habe Rechte, der Polizist darf meinen Ausweis nicht verlangen", ist nicht aufrecht. Es ist trotzig-kindisch (eine psychologische Kategorie, egal). Zeig den Ausweis, beantworte die Fragen, hilf mit bei einer Aufklärung, sag, wenn du etwas mitbekommen hast. Damit schützt man seine Familie, seine Nachbarn, seine Gemeinde und sich selbst. Dazu muss man gerade nicht Staat und Polizei stärken, sondern nur seinen Charakter. Einem starken Charakter nimmt man nichts weg und wenn, helfen ihm Staat und Polizei. Ein schwacher Charakter nimmt sich aus Angst selbst alles weg und beschuldigt Staat und Polizei.

Naja, das sind ein paar unausgegorene philosophische Gedanken.


In letzter Zeit merke ich zumindest, wie sich der Ton bei vielen Beamten geändert hat. Die Anweisungen sind klar, aber nicht mehr so befehlshaft. Als Zeuge bist du eher in einem informativen Gespräch als in einem Verhör. Auch wenn du nicht viel beitragen kannst, bekommst du einen Dank und ein Lob, dass du alles richtig gemacht hast.

Mir wird da nicht selten widersprochen. Wenn man die Leute kennt, kann man es sich ausrechnen. Wer letztens ein Jahr hat Bus fahren müssen; sich über die Verfahrenseinstellung einer Widerstandshandlung gefreut hat; jeden Kothaufen anzeigt und sich in der Kneipe neben dem Präsidium über die Bullen lustig macht; ja, da kann man auch ungünstige Erfahrung machen, schweigt aber meist über seinen Eigenanteil...

Interessant wäre jetzt eine klare Kante:
Wer würde sich von der Polizei Handfesseln anlegen lassen bei der Erklärung:
"Ich sehe hier eine ungünstige Situation. Das Gespräch führen wir auf dem Revier weiter. Zu Ihrer und unserer Sicherheit sehe ich es als angemessen, Ihnen Handfesseln anzulegen. Strecken Sie Ihre Arme aus!"

Aber ich stelle die Frage nicht einer Horde fesselgeiler Sadomasochisten, deren Antwort lautet, "babbel nicht, und die gehören hinter den Bauch"... Es wäre aber ein spannendes Gedankenspiel.

Schönen Gruß
Enris
_________________
2023
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
MartinStgt



Anmeldungsdatum: 14.02.2010
Beiträge: 1168
Wohnort: Stuttgart

BeitragVerfasst am: So Dez 22, 2019 4:12 pm    Titel: Antworten mit Zitat

dancingcane hat folgendes geschrieben:
Respekt sollte gegenüber denen schon vorhanden sein, dann klappt es auch mit dem Polizisten.

Respekt hängt aber nicht vom Beruf ab. Ein Polizist hat genau so viel Respekt verdient wie eine Bäckerverkäuferin und ein Busfahrer und umgekehrt. Wenn der Busfahrer während der Fahrt permanent am Handy hängt und offensichtlich Privatgespräche führt oder gar ebay-Transaktionen führt, dann schwindet der Respekt. Das ist ein individueller Aspekt.
Wenn ich etwa bei der Polizei vorspreche, dann lasse ich mein Anliegen nicht in epischer Breite vom Diensthabenden niederschreiben und lasse womöglich noch auf Rechtschreibung achten, sondern ich habe es selber vorher schon aufgesetzt und gebe es nur noch ab, damit der möglichst wenig selber machen muss. Das ist ein individueller Aspekt.
Kollektiv sieht es anders aus. Mein Respekt gegenüber der Polizei schwindet gewaltig in Zeiten von Quoten und Genderei, wo Leute qua Geschlecht (Ethnie, Religion etc.pp ??) an anderen vorbei eingestellt und befördert werden.
Niemand darf auf Grund des Geschlechtes bevorzugt oder benchteiligt werden. Das ist eindeutig ein Individual- und kein Kollektivrecht. Das heißt, bei einer Einstellung/einer Beförderung kommt es eben nicht auf das Geschlecht an. Das heißt nicht, dass jede irgendwie öffentliche Gruppierung gleichmäßig mit beiden (!) Geschlechtern besetzt werden muss. Irrsinn! Das in aller Kürze.
Wenn ich sehe, dass in fast jedem Polizeiauto der Fahrer (= Steuermann?) männlich und der Beifahrer (= Käpt'n?) weiblich ist, dann vergeht mir der Respekt vor der Polizei als solcher.
Genauso natürlich, wenn die Polizei Weisungen der Politik annimmt, Straftaten bis zu einem bestimmten Level nicht mehr zu verfolgen und somit ihre urtümliche Pflilcht zu vernachlässigen.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Enris



Anmeldungsdatum: 31.08.2004
Beiträge: 6413
Wohnort: SWP

BeitragVerfasst am: Di Dez 24, 2019 12:12 pm    Titel: Antworten mit Zitat

MartinStgt hat folgendes geschrieben:
dancingcane hat folgendes geschrieben:
Respekt sollte gegenüber denen schon vorhanden sein, dann klappt es auch mit dem Polizisten.

Respekt hängt aber nicht vom Beruf ab. Ein Polizist hat genau so viel Respekt verdient wie eine Bäckerverkäuferin und ein Busfahrer und umgekehrt.

Falsch ausgedrückt. Es geht um Respekt vor dem Amt, nicht vor dem Menschen. Der Missstand entsteht ja gerade deswegen, wenn der mündige Bürger seinen Respekt von der Person abhängig macht, die das Amt bekleidet, und in seinem Trotz das Amt bewusst ignoriert.

MartinStgt hat folgendes geschrieben:
Wenn der Busfahrer während der Fahrt permanent am Handy hängt und offensichtlich Privatgespräche führt oder gar ebay-Transaktionen führt, dann schwindet der Respekt. Das ist ein individueller Aspekt.

Und niemand verhält sich deswegen despektierlich gegen alle Busfahrer. Beim Polizisten reicht schon das silberblaue Auto, um beworfen zu werden.

MartinStgt hat folgendes geschrieben:
Mein Respekt gegenüber der Polizei schwindet gewaltig in Zeiten von Quoten und Genderei, wo Leute qua Geschlecht (Ethnie, Religion etc.pp ??) an anderen vorbei eingestellt und befördert werden.

Krass gefragt: Du scheißt einen Bullen an, weil du mit diversity nicht zurechtkommst? Du machst Respekt davon abhängig, ob jemand das richtige Geschlecht, die richtige ethnische Herkunft (witzig, übrigens), die richtige Religion (noch witziger, übrigens) etc.pp hat?

Wie stelle ich mir das vor? Geschlecht sieht man ja, meist. Fragst du konkret nach dem Stammbaum, "Ihre Eltern waren nicht zufällig Nachkommen der Wikinger, welche die Rus gegründet hatten, und deren Eltern als Heimatvertriebene nach Deutschland kamen"? Oder ob er/sie/es belegen kann, tatsächlich Buddhist zu sein?

MartinStgt hat folgendes geschrieben:
Wenn ich sehe, dass in fast jedem Polizeiauto der Fahrer (= Steuermann?) männlich und der Beifahrer (= Käpt'n?) weiblich ist, dann vergeht mir der Respekt vor der Polizei als solcher.

Nochmal krass gefragt: Welches Problem hast du mit Frauen?

Ich bin gespannt auf die Antworten. Denn vielleicht hatte ich es mir bisher zu leicht gemacht: Ich respektiere Menschen grundsätzlich, wenn sie sich nicht gerade wie ausgemachte Idioten verhalten.

Schönen Gruß
Enris
_________________
2023
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen    handschellenforum.de Foren-Übersicht -> Offtopic Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde
Gehe zu Seite 1, 2  Weiter
Seite 1 von 2

 
Gehe zu:  
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht mitmachen.


Datenschutzerklaerung und Impressum
Powered by phpBB 2 © 2001, 2002 phpBB Group