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Enris



Anmeldungsdatum: 31.08.2004
Beiträge: 6413
Wohnort: SWP

BeitragVerfasst am: Do Nov 07, 2019 8:56 am    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo auch,

um noch zu ergänzen: Viele der Personen, die man in die Kategorie "Dichter und Denker" einsortieren konnte, haben zur Entwicklung und Verbreitung der deutschen Sprache beigetragen. Teils durch Adaption in der zunehmend dem Lesen mächtigen Bevölkerung, teils durch Verschriftung von Regeln. Dazu gleich mehr.

Sprachen entwickeln sich, denn Kommunikation entwickelt sich und Medien entwickeln sich. Anders gesagt, die Sprache passt sich dem an, was mitgeteilt werden soll, wie es mitgeteilt werden soll und womit es mitgeteilt werden soll. (Dabei lasse ich den "Empfänger" außer Acht, also "wem" es mitgeteilt werden soll, das impliziert zu viele weitere Aspekte).

Um den status quo zu wahren genügt es daher nicht stehen zu bleiben. Um den status quo zu wahren müsste man immer dem Sonnenuntergang folgen.

Also. Reden wir über Deutsch? Meint ihr dieses Sprachkonstrukt, das erst zur Zeit Karls des Großen erstmals als Bedeutungskategorie für Bevölkerungsgruppen verwendet wurde, die keine andere Sprache verwendeten? Diese Sprache, von der gebetsmühlenartig behauptet wird, sie verfällt durch fremdsprachige Einflüsse?

Sie ist aus diesen Einflüssen entstanden. Die Gleichsetzung von Volk und Land als Nation ist eine relativ junge Konstruktion. Ich springe mal ein paar Jahrhunderte vor: Gerade einige der großen Denker, deren Leistung wir nur zu gerne selbstschulterklopfend als eigenen Erfolg bezeichnen, haben durch Neologismen die deutsche Sprache bereichert. Nicht zu unterschätzen ist beispielsweise die Übersetzung der Bibel ins Deutsche durch Martin Luther. Etliche seiner Wortneuschöpfungen sind in die gesprochene Sprache wie schon immer da gewesen übernommen worden. Ähnlich Goethe, der nicht nur in seinen schöngeistigen, sondern auch sprachtheoretischen Arbeiten erheblich zur Vereinheitlichung von Aussprache, Grammatik und Rechtschreibung beigetragen hat. Die Brüder Grimm haben ebenfalls ganz wesentlich dazu beigetragen, in Wörterbüchern auch Bedeutungsinhalte vermerkt.

Dichter und Denker. Wir haben Goethe. Ich kenne Grimms Märchen. Habe zusammen mit Bastian Sick den Tod von dem Genitiv betrauert. Und? Eine intellektuelle Leistung ist es nicht, zufällig Eltern zu haben, deren Ahnen sich zufällig in diesem Gebiet niedergelassen haben, deren Nachbarn Schiller, Kant oder Brecht hießen. Was also soll unser Maßstab sein? Ein korrektes Partizip gebildet zu haben? Oder dächte ich an ein Einwerfern von Konjunktiv-II-Konstrukten in jedem dritten Satz?

Wie wäre es mit einer Reflexion von Schillers Freiheitsbegriff? Diskussion über die Faust'sche Ethik (naja, Nietzsche hat diese Denke ja drastisch beendet)? Ist uns überhaupt klar, dass wir selbst vielleicht Konsumenten der Kulturindustrie sind, abgefüttert mit kategorischem Imperativ und herrschaftsfreiem Diskurs, bis wir gehirnverfettet gleichgeschaltet sind und "einfach ein gutes Gefühl" haben, Dichter und Denker zu sein und somit nehmen, was uns angeboten wird? Perfektes nudging! Gretchen und Marx hatten also Unrecht. "DuD" als Opium des Volkes.

Die Einflüsse der Dichter und Denker haben also nicht so viel mit dem Erhalt der Sprache zu tun. Gerade sie entwickeln sie weiter. Teile der Sprache verfallen, ja, das ist so. Wie eine alte Ritterburg, die man nicht mehr braucht. Und wie eine alte Ritterburg kann man auch in obsolete Sprachteile investieren, sie renovieren, ihre Schönheit und Romantik preisen; jedoch nicht mehr aus ihr heraus Raubzüge in die Umgebung durchführen, eroberte Völker unterdrücken oder Grenzen sichern. Aber weder verfällt die Sprache als Ganzes, ebenso wenig wie die zivilisatorischen Errungenschaften des Feudalismus.

Die Sprache verfällt durch soziale Medien. Die Sprache verbessert sich durch soziale Medien. Für beide Positionen findet ihr sehr gute Studien, die genau das belegen. Und sie haben alle Recht. Darüber können wir streiten, mit harten Bandagen, mit Tiefschlägen, oder eben der Gewalt des Nackten. Ein Diskurs soll ja gerade nicht stattfinden, wenn die sozialen Medien schon nicht mehr genannt werden, sondern in einer "du weißt schon wer"-Manie als Übersetzung chiffriert werden. Solche Codes sind bewusst unkonkret, um sich nicht festzulegen. Spreche ich vom "Gehörnten" kann ich mich immer noch mit Ziegenböcken herausreden. Nenne ich den Teufel beim Namen, nehme ich ihm seinen größten Trick, stehe dann jedoch vor seinem Antlitz. Solche Umdeutungen sind durchschaubar, weil es den bloßen Grammatiker enthüllt, dem eine wahre Bedeutung stets verborgen bleiben muss und dieser deshalb ausgeliefert ist. Dem nur die Abwertung durch Verweigerung des wahren Namens bleibt, Gleichgesinnte sucht, deren Erhabenheit aus der Diskriminierung des Anderen, statt der Erhöhung des selbst besteht - Hauptsache Delta. Auf diese Masche komme ich auch noch zurück.

Man hätte ja Beiträge einiger wegweisender Denker beachten können, etwa wie soziale Medien die Reduktion von Komplexität fördern, welche ein gemeinschaftliches oder gesellschaftliches System stabilisiert. Aber was ist schon ein Luhmann, was ist schon Kommunikation der Gesellschaft. Was ist schon ein systemtheoretischer Diskurs, in dem die Elemente zugunsten der Struktur eliminiert werden und somit der wehrhafte Habitus des Individuums in seinem steten Streben nach Beachtung umso deutlicher zu Tage tritt - weil er bloß noch Substrukturen bildet und teils proaktiv die Bindungen zum großen System kappt. Die Lösung wäre, den Kopf zu drehen, dem Sonnenaufgang entgegen zu gehen und sich somit der haltenden und bergenden Strukturen zu sichern. Das allerdings lässt der Habitus nicht zu (Bourdieu ist Franzose, ihr könnt also den Absatz für euch komplett streichen mangels DuD-Zugehörigkeit. Ich rate das euch dann auch für Descartes' "ich denke, also bin ich", auch Franzose).

Nein. Was ist das schon. Indes, vielleicht spricht Precht darüber im nächsten Interview auf 3sat, wobei der "I like DuD"-Bildungsbürger ja gar kein Fernsehen schaut. Er holt eins seiner rund 150 Bücher aus dem Schrank, vielleicht einen Atlan (guter Kumpel von Perry Rhodan), vielleicht einen Atlas (Träger des Himmelsgewölbes, in a pack with Herkules), vielleicht einen Atlanten (mangels Google Earth).

Nein. Die Schulen sind schuld. Da lernen die Kinder nichts Richtiges. Da muss etwas dran sein, denn das höre ich sehr oft; erstmals wurde mir das nach meiner Einschulung vom Nachbarn gesagt. Dass Deutschland seit Jahrzehnten die besten Facharbeiter hervorbringt, ja, das muss an den Dichtern und Denkern liegen. Hm. Wenn die Schulen eine Basis mitgeben sollen, einen Zugang oder ein Interesse an Bildung schaffen wollen, auf eine Zukunft vorbereiten sollen, aber das gar nicht schaffen. Die junge Menschen systematisch verblöden. Wie schaffen die Schulen das bloß, dass ich immer wieder junge Menschen kennenlerne, die intellektuell auf einer Höhe sind, fix und flexibel Wissensinhalte verknüpfen, dass ich mich ranhalten muss, um ihnen zu folgen. Die mir klarmachen, dass meine Wissenskonserven ihr MHD überschritten haben. Die mir mit Humor und Respekt meine steife Dummheit vor Augen halten und mich in eine Welt führen, in der es darauf ankommt, von Mensch zu Mensch und von Seele zu Seele zu kommunizieren, und zwar in situ, nicht erst nach tiefer Lektüre von Adornos Kritik an der Hegel'schen Dialektik.

Nein. Die Politik ist schuld. Immer. Wie das Wetter. Allein schon die Idee, Merkel sei schuld an einer Bildungskrise zeigt ja schon die Sprossen einer tief in die Hölle führenden Leiter des grammatischen Abgrunds. Der Club steigt ab. Merkel ist schuld. Lindenstraße wurde abgesetzt. Merkel. Alle dumm. Selbst dafür, eine Promotion gescheit zu fälschen. Andererseits ist da etwas dran. Tatsächlich wird das ja direkt aus den wahren Machtkreisen hinter der Regierung kolportiert, damit der Wutbürger (neudeutsch für "angry white man") bloß nicht vernünftig wird und nachdenkt. Damit er bequem bleibt. Damit er Protest wählt. Damit er sich selbst gleichschaltet und das gemeinsam mit anderen laut heraushurrat. Der braucht den Adrenalinstoß. Und es wirkt. Immer mehr funktionierende Gesellschaftsmitglieder zeigen schizotypische Züge und verschwören sich gemeint zu Recht gegen die Verschwörung.

Bin ich jetzt Pinky oder Brain? Was meint er jetzt ernst, so ganz ohne die Emoticons, was ist Satire oder Ironie? Ist das so einer, der sich kaputtlacht, wenn man über twitter den Sprachverfall anprangert?

Folgende Chance: Etikettiert mich als patzig, bösartig und eigensinnig. Das ist die Seite, welche die besseren Kekse hat. Petzt dann die Lippen zusammen (dann nörgelt sich zwar nicht so gut) und geht dem Sonnenuntergang hinterher. Viel Erfolg!
Nein, Sprache hat sich nicht zu entwickeln, das kann ja nicht funktionieren. Sie nennen es Rad, Automobil, Internet, das wird sich nicht durchsetzen. Es ist nunmal komisch mit anderen Sprachen oder Sprachmustern konfrontiert zu werden. Und sehr schwierig ungewohnte Abweichungen als bewussten Stil zu erkennen, der nicht zur Abgrenzung geschaffen wurde, sondern zur Integration.

Mir geht's prächtig und ich wünsche mir, dass es euch ebenso prächtig geht! Also bleiben wir bitte beisammen und lernen miteinander voneinander. Lasst mir nur diese Holländermichel außen vor...

Schönen Gruß
Enris
_________________
2023
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QueeAndJiggy



Anmeldungsdatum: 10.07.2014
Beiträge: 2118
Wohnort: Salzburg

BeitragVerfasst am: Do Nov 07, 2019 9:52 am    Titel: Emoticons & Co. Antworten mit Zitat

Enris hat folgendes geschrieben:
... eine Hypothese ... Die Nutzung von solchen Symbolen hängt nicht davon ab, ob man 1968 oder 1998 geboren wurde, sondern von den Kommunikationsformen, die man verwendet oder benötigt.

Ist gar nicht so hypothetisch. Ich verwende gern Smileys im HS- und SB-Forum. Bei LibraryThing, wo ich mich auch daheim fühle, nie. Hab mir grade den letzten Monatsbrief des Sekretärs angeschaut – kein Smiley. Auch unsere User scheinen die Dinger eher zu meiden. Wie Pilze im Wald, von denen man den Grad der Genießbarkeit nicht kennt.

Lira hat folgendes geschrieben:
Ich versteh die Angst, dass die Sprache verfällt und erlebe es tag täglich ...

Sie wird sich hüten zu verfallen. Das AT suggeriert mit der Metapher Babylon eine einst einheitliche Sprache und deren Aufsplitterung. Doch wahrscheinlich hatten in grauer Vorzeit unsere Vorfahren im Hochparterre und ersten Stock der Savannen sich bereits höchst differenziert angegrunzt. Immer noch verzweigt die Sprache sich unablässig, nimmt neue Formen an, verändert wechselwirkend Wesen und Richtung der Informationen und letztlich die Bildung. Ob 2023 acht Milliarden Menschen soviel Zeit in Bildung investieren können wie es drei Milliarden 1960 konnten, wage ich zu bezweifeln. Bildung hängt untrennbar mit Sprache zusammen. Das betrifft nicht nur die Fähigkeit, sich schriftlich mehr oder weniger gut auszudrücken. Sobald einer den Mund aufmacht, wird nach alter Volksweisheit offenbar, wes Geistes Kind er ist.
_________________
When we remember we are all mad, the mysteries of life disappear and life stands explained · From Mark Twain's Notebook (1898)


Zuletzt bearbeitet von QueeAndJiggy am Do Nov 07, 2019 4:17 pm, insgesamt einmal bearbeitet
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Lira



Anmeldungsdatum: 07.12.2014
Beiträge: 821
Wohnort: Bayern

BeitragVerfasst am: Do Nov 07, 2019 4:06 pm    Titel: Antworten mit Zitat

Erst einmal: Danke für diesen langen Text Enris und scandor. Tatsächlich hat mich vor allem Enris sein Text sehr erschlagen (im positiven Sinne) und mich zum nachdenken gebracht, sowie einen anderen Blickwinkel gegeben, danke dafür!

Nun zu ein paar Sachen, die dort vorhanden waren:

Enris hat folgendes geschrieben:

Nein. Was ist das schon. Indes, vielleicht spricht Precht darüber im nächsten Interview auf 3sat, wobei der "I like DuD"-Bildungsbürger ja gar kein Fernsehen schaut. Er holt eins seiner rund 150 Bücher aus dem Schrank, vielleicht einen Atlan (guter Kumpel von Perry Rhodan), vielleicht einen Atlas (Träger des Himmelsgewölbes, in a pack with Herkules), vielleicht einen Atlanten (mangels Google Earth).


Erst einmal danke für diesen Lacher, ich habe mich bei dem in Klammern geschriebenen "Erklärungen" köstlichst amüsiert. Sehr schön erklärt.


Enris hat folgendes geschrieben:

Wie schaffen die Schulen das bloß, dass ich immer wieder junge Menschen kennenlerne, die intellektuell auf einer Höhe sind, fix und flexibel Wissensinhalte verknüpfen, dass ich mich ranhalten muss, um ihnen zu folgen. Die mir klarmachen, dass meine Wissenskonserven ihr MHD überschritten haben. Die mir mit Humor und Respekt meine steife Dummheit vor Augen halten und mich in eine Welt führen, in der es darauf ankommt, von Mensch zu Mensch und von Seele zu Seele zu kommunizieren, und zwar in situ, nicht erst nach tiefer Lektüre von Adornos Kritik an der Hegel'schen Dialektik.


Du lernst immer wieder junge Menschen kennen mit denen du gut klar kommst, weil du ein tolles Wesen bist und man dich gerne kennt. Zudem kann man sich super mit dir unterhalten und ein Austausch mit dir ist immer wahnsinnig ergiebig, wie ich finde für beide Seiten. Daher tauscht man sich eben einfach auch gerne mit dir aus und daher triffst du dann eben auch genau diese Art Menschen, meiner Meinung nach.



Enris hat folgendes geschrieben:

Folgende Chance: Etikettiert mich als patzig, bösartig und eigensinnig. Das ist die Seite, welche die besseren Kekse hat.


Du bist weder patzig, noch bösartig, noch eigensinnig. Aber gute Kekse hast du, dass stimmt *kichert*.
Du bist einfach ein toller Mensch, den man froh ist kennengelernt zu haben <3 (warum werde ich eigentlich schon wieder emotional, egal, du hasts verdient!)




Soviel dann mal dazu Wink Und dann noch zu QaJ:

QueeAndJiggy hat folgendes geschrieben:

Ist gar nicht so hypothetisch. Ich verwende gern Smileys im HS- und SB-Forum. Bei LibraryThing, wo ich mich auch daheim fühle, nie. Hab mir grade den letzten Monatsbrief des Sekretärs angeschaut – kein Smiley. Auch unsere User scheinen die Dinger eher zu meiden. Wie Pilze im Wald, von denen man den Grad der Genießbarkeit nicht kennt.


Das geht mir tatsächlich auch so. Oder auch wenn ich in Messengern schreibe, ist meine Sprache meist eine Andere, als in Foren oder gar in Briefen. Und ja, ich schreibe noch Briefe. Und das gerne. Aber tatsächlich nur zu bestimmten Anlässen und für besondere Menschen...



QueeAndJiggy hat folgendes geschrieben:

Sie wird sich hüten zu verfallen. Die Metapher Babylon und sein Türmchen aus dem AT gaukelten uns eine paradieshafte Einheitssprache vor. Wahrscheinlich hatten unsere Vorfahren im Hochparterre und ersten Stock der Savanne sich bereits höchst differenziert angegrunzt. Die Sprache verzweigt sich unablässig, nimmt neue Formen an, verändert Art und Richtung der Informationen und letztlich die Bildung. Ob 2023 acht Milliarden Menschen soviel Zeit in Bildung investieren können wie drei Milliarden 1960, wage ich zu bezweifeln. Bildung hängt untrennbar mit Sprache zusammen. Und leider wird sich an einer Prämisse nichts ändern: Sobald jemand den Mund aufmacht, weiß man, wes Geistes Kind er ist.


Tatsächlich denke ich hier jetzt, wie schon angesprochen, seit den Beiden Texten von scandor und Enris, aber vor allem nach Enris seinem Text, tatsächlich etwas Anders drüber als in meinem Beitrag zuvor. Somit kann ich dir hier eigentlich nur noch zustimmen, weil ich es ähnlich sehe.
_________________
Liebe Grüße
Lira


UT 2016 - 2022
Mid-Winter UT 2020

Profilbild: Schellchen gehören Enris, das Foto hat scandor gemacht Wink
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DS-Stahl



Anmeldungsdatum: 10.05.2005
Beiträge: 1072
Wohnort: München

BeitragVerfasst am: Do Nov 07, 2019 5:27 pm    Titel: Antworten mit Zitat

Andy58 hat folgendes geschrieben:

Heute steigt man besonders in Deutschland im gesellschaftlichen Ansehen, wenn man möglichst öffentlichkeitswirksam verkündet, daß man von Mathematik und/oder Naturwissenschaften keine Ahnung hat und auch noch stolz darauf ist. In Talkshows gibt es dann sogar noch Applaus dafür...


das ist natürlich traurig, aber vom Prinzip her nicht wirklich neu.

Otto von Bismarck (es muss also vor 1898 passiert sein) soll gesagt haben:

„Je weniger die Leute wissen,
wie Würste und Gesetze gemacht werden,
desto besser schlafen sie!“

Talkshows gab es damals natürlich noch nicht.
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scandor



Anmeldungsdatum: 28.04.2004
Beiträge: 765
Wohnort: Zwischen Stuttgart und Pforzheim

BeitragVerfasst am: Fr Nov 08, 2019 12:07 am    Titel: Der Untergang des Abendlandes? (Teil 2) Antworten mit Zitat

Obschon hier inzwischen fleißig weitergeschrieben worden ist und manche der Dinge, die ich ansprechen wollte, durchaus schon postuliert worden sind (was für dieses Forum und seine Lebendigkeit spricht und erklärt, warum ich so gerne hier bin), komme ich nicht umhin, nochmals in die selbe Kerbe zu schlagen - diesmal wohl weniger philosophisch oder poetisch, sondern viel mehr psychologisch, politisch und ein klein wenig polemisch...

Ja, ich komme nicht einmal darum herum, lieber flx, persönlich zu werden, obgleich Du Deine Kritik doch allgemeingültig formuliert hattest (falls es Dich tröstet: diese klitzekleine Prise Angriffswürzung glaube ich riskieren zu können, weil ich Dich sehr mag und daher davon ausgehe, dass Du das vertragen kannst): Deine allgemeine Anmerkung klingt sehr nach dem unwirschen Granteln eines grummeligen Alten, der aus der Zeit gefallen ist und die Welt nicht mehr so ganz versteht. Weil sie ihm zu schnell geworden ist. Weil sie von seinen Paradigmen abweicht und seine Denkmuster nicht mehr reflektiert. Weil sie eine andere Sprache spricht. So ein Alter, der sich nach der guten, alten Zeit zurücksehnt, als alles noch in Ordnung und im Lot war, als er selbst noch jung war - früher, als alles besser war...

Auch Enris hat diese Haltung schön auf den Punkt gebracht:

Enris hat folgendes geschrieben:
Nein, Sprache hat sich nicht zu entwickeln, das kann ja nicht funktionieren. Sie nennen es Rad, Automobil, Internet, das wird sich nicht durchsetzen.


Ergänzend hierzu die Haltung von Kaiser Wilhelm II. zum Automobil:

Wilhelm II. hat folgendes geschrieben:
Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.


Ich komme später noch einmal darauf zurück...

Also: anders? Ja. Aber besser? Wirklich? Können wir es denn uns überhaupt leisten, einzelne historische Abschnitte untereinander zu vergleichen und dabei den einen oder anderen zu bevorzugen? Vor allem, da wir (noch) keine Möglichkeit dazu haben, in der Zeit zurück zu reisen, um uns vor Ort - oder besser: vor Zeit - ein Bild davon zu machen, ob unsere Vergleiche verifizierbar sind.

Wir müssen uns damit abfinden, dass wir im Wandel gefangen sind, dass alles um uns herum (nicht nur die Sprache) sich stets verändert und Verwerfungen ausgesetzt ist, die wir nicht beeinflussen können. Wir können diese Veränderungen nur individuell abfedern, indem wir unsere Leben darauf ausrichten und uns mit diesen Metamorphosen arrangieren. Zu verharren, den Wandel auszusitzen oder ihn gar zu bekämpfen, bringt uns nicht weiter, denn dann werden wir einfach vom Wandel überholt oder möglicherweise sogar zurückgeworfen. Jemand, der derartig zurückgelassen wurde, darf seinen Atem nicht mit Beschwerden vergeuden, denn er braucht ihn noch, um zumindest den Versuch zu wagen, die anderen wieder einzuholen...

Enris hat folgendes geschrieben:
Die Politik ist schuld. Immer. Wie das Wetter. Allein schon die Idee, Merkel sei schuld an einer Bildungskrise zeigt ja schon die Sprossen einer tief in die Hölle führenden Leiter des grammatischen Abgrunds. Der Club steigt ab. Merkel ist schuld. Lindenstraße wurde abgesetzt. Merkel. Alle dumm. Selbst [zu dumm] dafür, eine Promotion gescheit zu fälschen. Andererseits ist da etwas dran. Tatsächlich wird das ja direkt aus den wahren Machtkreisen hinter der Regierung kolportiert, damit der Wutbürger (neudeutsch für "angry white man") bloß nicht vernünftig wird und nachdenkt. Damit er bequem bleibt. Damit er Protest wählt. Damit er sich selbst gleichschaltet und das gemeinsam mit anderen laut heraushurrat.


Natürlich ist die Politik Schuld - und natürlich auch Frau Merkel. Aber eben nicht allein. Das wäre zu einfach und käme nur einem Feindbild gleich, welches ohne Erklärungen, ohne Begreifen und mit völliger Sprachlosigkeit auskommt. Wir ernten nun, was 40 Jahre konservativ verharrender Politik gesät haben (und machen wir uns nichts vor: die Regierung Schröder stellte keine Unterbrechung des Stillstandes her). Wir ernten nun, dass wir uns 40 Jahre im Erfolg unserer Wirtschaftsmacht sonnen konnten, die nach dem WW2 einem Wunder gleich wie Phönix aus der Asche auferstanden war - aber wer sich genüsslich auf dem Liegestuhl räkelt, der gießt nicht, der düngt nicht, der jätet nicht und weiß nicht einmal, wann der am besten geeignete Zeitpunkt zur Ernte herangereift ist. Vielleicht hätte es uns geholfen, wenn kritische Berichterstatter uns nützliche Informationen dazu hätten zukommen lassen. Jedoch waren die Berichterstatter entweder nicht kritisch oder hauptsächlich damit beschäftigt, mittels trüber Glaskugeln die wahrscheinlich möglichen Pläne der Politik zu erforschen und diese wie ein sensationell neues Credo unter den Erntehelfern zu verteilen. Wirklicher Expertenrat kam nicht zum Tragen, weil die wirklichen Experten (Forscher, andere Erntehelfer von anderen Feldern oder solche von diesem Feld, denen auf dem Liegestuhl langweilig geworden war) gar nicht erst aufs Feld gelassen beziehungsweise von diesem vertrieben wurden. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie die Früchte dieses Feldes aussehen...

Enris hat folgendes geschrieben:
Die Sprache verfällt durch soziale Medien. Die Sprache verbessert sich durch soziale Medien. Für beide Positionen findet ihr sehr gute Studien, die genau das belegen. Und sie haben alle Recht. Darüber können wir streiten, mit harten Bandagen, mit Tiefschlägen, oder eben der Gewalt des Nackten. Ein Diskurs soll ja gerade nicht stattfinden, wenn die sozialen Medien schon nicht mehr genannt werden, sondern in einer "du weißt schon wer"-Manie als Übersetzung chiffriert werden. Solche Codes sind bewusst unkonkret, um sich nicht festzulegen.


Man mag mir verzeihen, dass ich nun soziale Medien, Foren, Twitter, WhatsApp und so weiter alle in einen Topf werfe und schlicht "Internet" nenne. Im Folgenden gebe ich zwei Links, die sich beide intensiv mit dem Thema "Denken" befassen, ja, zum selbständigen Denken animieren - beide haben ein ähnliches Thema und beide werfen interessante, neue Blickwinkel auf sattsam bekannte Fakten:

https://youtu.be/4Y1lZQsyuSQ
https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/co2-in-produkten-der-konsument-kann-gar-nicht-lesen-kolumne-a-1292254.html

Darüber hinaus ist beiden gemein, dass sie sich der Welt im Wandel stellen, weshalb sie weder der Politik, noch der Wirtschaft gefallen. Beide (Politik und Wirtschaft) fürchten diese Art der Berichterstattung aus dem Internet, denn sie ist (nahezu) unabhängig und kann weder mit Anzeigen gekauft, noch mit Druck gegängelt werden. Da sagen tatsächlich Leute einfach das, was sie denken, ungelenkt, ungeregelt, unsanktioniert. Und - schlimmer noch - sie können das Gesagte belegen und ergehen sich nicht im allseits beliebten Glaskugelgucken. Sowohl Politik, als auch Wirtschaft tun ALLES, wirklich ALLES, um diese Art der Berichterstattung aus der Welt zu schaffen. Wie der erste Beitrag deutlich gezeigt hat, bringt es den konservativen Kräften nichts ein, die Uhrheber solcher Berichterstattung persönlich anzugreifen - außer verbrannten Fingern und einer verlorenen Europawahl. Aber weil auch konservative Kräfte dazu befähigt sind, zu lernen, verlegen sie sich nun wieder auf das gute, alte Erfolgsrezept, das Internet (und damit auch alle seine User) als Ganzes zu diffamieren: man attestiert dem Internet, dass es dazu führt, dass die Sprache verfällt, dass Kinder gefährdet werden, dass es ein Sündenpfuhl ist, dass man dort Waffen für mögliche Amokläufe besorgen kann, dass sich dort Kinderschänder und -pornographen treffen. Dies wiederholt man immerzu, gebetsmühlenartig, wieder und wieder und wieder, bis es sich auch im Kopf des letzten Dorftrottels festgesetzt hat und ein jeder weiß, dass das Internet ein höchst gefährlicher und noch dazu unfassbarer Ort ist, der eigentlich verboten gehört und nur geduldet wird. Da es sich hierbei ganz eindeutig um einen Propaganda-Angriff handelt, interessiert es diejenigen, die solche Gerüchte in die Welt setzen, auch nicht, dass weniger als ein Promille der User wirklich so beschreibbar sind. Vielleicht abgesehen von den Usern, welche ihre Muttersprache nur unzureichend beherrschen; das sind sicher mehr, aber man kann sie auch anderswo treffen und muss dafür nicht zwingend ins Internet gehen.

Wenn also das Internet als solch böser, böser Ort dargestellt wird, dann werden zweifelsohne auch die damit assoziierten Emoticons als sprachlos machende Bösartigkeiten gesehen, die gewiss den Untergang des Abendlandes einläuten werden. Wer will dann schon so genau wissen, was diese bedeuten und wie sie funktionieren?

Kaiser Wilhelm II. wird als großer Prophet in die Geschichte eingehen und sein Zitat wird gewiss nicht mehr belächelt werden, wenn in spätestens 30 Jahren alle automobilen Verbrennungsmotoren stillgelegt werden müssen, sich aber das Preisgefüge und die Infrastruktur alternativer Antriebe nicht geändert hat. Dann werden wir sicherlich wieder wesentlich mehr Pferde auf unseren Straßen sehen. So ein Pferd ist schließlich praktisch: den Rasenmäher spart man auch gleich ein...
_________________
J.-R.

UT 2009, ab 2014
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Enris



Anmeldungsdatum: 31.08.2004
Beiträge: 6413
Wohnort: SWP

BeitragVerfasst am: Fr Nov 08, 2019 2:08 pm    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo auch,

danke, scandor, ein beeindruckender Text mit guten Denkanstößen.

Oft hört man das geflügelte Wort:
"Nichts ist beständiger als der Wandel" (Quelle unklar, Heraklit? Charles Darwin?)
Oft scheint mir, wird es als ein Mantra gebetet, als hätte man sich zu fügen. Ich halte den Satz allerdings für eine Warnung.

scandor hat folgendes geschrieben:
Zu verharren, den Wandel auszusitzen oder ihn gar zu bekämpfen, bringt uns nicht weiter, denn dann werden wir einfach vom Wandel überholt oder möglicherweise sogar zurückgeworfen. Jemand, der derartig zurückgelassen wurde, darf seinen Atem nicht mit Beschwerden vergeuden, denn er braucht ihn noch, um zumindest den Versuch zu wagen, die anderen wieder einzuholen...

Ich habe erst spät ein Handy bekommen (andere meinen früh). Brauchte ich nicht. Bis mein Anrufbeantworter leer blieb.

Ich musste eine Entscheidung treffen, nämlich für die Menschen, mit denen ich gerne zusammen gewesen war. Mit SMS, WhatsApp usw. war es genauso. Mit dieser Entscheidung ist auch die Entscheidung getroffen, die entsprechenden Sprachcodes zu lernen. In newsgroups, Chats und frühen Foren hatte ich auch in oft bitterer Erfahrung gelernt, wie sehr der nonverbale Aspekt von Kommunikation fehlt, wenn man glaubt genauso wie von Angesicht zu Angesicht miteinander zu quatschen.

Ich habe mich auch oft gefragt, ob "digital natives" bzw. "digital adaptives" alle Batmanfans sind, weil ich mir die Fledermäuschen nicht erklären konnte. ^^ (Katze ohne Gesicht? Guck nach oben? Indianer voraus?) Ihwenn mai Inglisch is däd keind of schauderhaft, däd Ei häd tu lörn so matsch tu tohk wiss naiß Piepel in Fettleif. Or osser Forums.

Lernen ist nie leicht. Wir lernen jeden Tag. Lernen ist immer anstrengend, wir messen ihm nur nicht immer die Anstrengung zu: Wenn uns das Thema interessiert, sind wir emotional zum Lernen motiviert. Den konzentrierten Blick, die beschleunigte Atmung, die Zunge zwischen den Zähnen, das nehmen wir nicht wahr.

Wenn ich ohne Motivation lernen muss und sich mir der Sinn nicht "vernünftig" erschließt (so dass ich einen mehr rationalen Willen aufbringen kann), dann merke ich beim Lernen nur die Anstrengung, sehe auch keine Erfolge nicht, lasse es bleiben. Bitte nicht vergessen: Lernen ist eine neurologische Sache. Man kann es vergleichen mit einer neuen Sportart für die man Durchhaltevermögen braucht, bis man Erfolge erlebt.

Mir gefällt vieles an verschiedenen Trends nicht. Vieles ist strunzdumm, was zumeist Menschen betrifft, für die ich nichts übrig habe, also irrelevant ist. Für mich habe ich festgestellt, dass ich meine kognitive Dissonanz verringere, wenn ich mich unvoreingenommen informiere, Sinnvolles übernehme und achtsam gegenüber Unsinn bin, bevor mich der Unsinn überrollt oder assimiliert.

Schönen Gruß
Enris
_________________
2023
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flx



Anmeldungsdatum: 14.03.2005
Beiträge: 587
Wohnort: Süd-Niedersachsen

BeitragVerfasst am: Fr Nov 08, 2019 2:29 pm    Titel: Antworten mit Zitat

Andy58 hat folgendes geschrieben:
Heute steigt man besonders in Deutschland im gesellschaftlichen Ansehen, wenn man möglichst öffentlichkeitswirksam verkündet, daß man von Mathematik und/oder Naturwissenschaften keine Ahnung hat und auch noch stolz darauf ist. In Talkshows gibt es dann sogar noch Applaus dafür...

[...]

Schreibschrift war für mich damals die Hölle, diese ganzen Kringel und Schleifen kosteten viel Zeit und wurde in der Grundschule auch noch schlecht benotet. Im Gymnasium durften wir dann auch in Druckschrift schreiben, das war für mich eine erhebliche Erleichterung, ich konnte fast doppelt so schnell damit schreiben als mit Schreibschrift. Lesbarer war die Schrift dann auch noch. Schrift dient doch nur als Werkzeug, um Texte festzuhalten und zu verbreiten, Schreibschrift als Schönschrift würde ich eher in den Kunstunterricht als Einlage verfrachten. Und von wegen, das trainiert die Feinmotorik: meine Schreibschrift war immer eine "Sauklaue", dafür bestücke ich immer noch Leiterplatten in SMD-Technik und arbeite auch mit solcher Elektronik, arbeite teilweise mit Feinmechanik und als Schlosser bin ich auch gelegentlich tätig...

@Andy58

Das ist schon richtig - eine gleichmäßige(!) Druckschrift kann lesbarer sein als verbundene Schreibschrift. Ich habe das ganze nur erwähnt, weil es mir eigentlich ein Symptom für die heutigen schulischen Zustände zu sein scheint. Die Schule soll für alles mögliche zuständig sein, und wirklich leistungsmäßig fordern darf man die Schüler schon gar nicht. Zu unserer Zeit ging es noch vor allem um Wissensvermittlung. Es ist kein Wunder, daß hier die Musik mittlerweile längst woanders spielt.

Als Beispiel mal das Ergebnis der internationalen Mathematik-Olympiade 2018. Abgebildet die Mannschaft des Siegers, das "Team USA" (die etwas ältere Person in der Mitte mit dem grünen Ausweis könnte ein Betreuer oder ähnliches sein, es waren jeweils 6 Teilnehmer): https://www.mathematik.de/Bildung/2389-eil-ergebnisse-der-internationalen-mathematik-olympiade-da

Einige Namen sind unten abgedruckt. Fällt dir etwas bei diesem "Team USA" auf? Auch was das Verhältnis männlich/weiblich bei allen Ländern betrifft?

Der konkrete Anlaß zu meinem Beitrag war übrigens ein aktuelles Vorkommnis. Ein Paket kam mit einem privaten Paketdienst an und mußte quittiert werden. Bei der Post haben die Zusteller dafür ein elektronisches Gerät, auf dem der Empfänger mit einem Schreibstift unterzeichnet. Hier aber wollte der Zusteller, daß ich mit dem Finger(!) meine Unterschrift auf den Bildschirm schmiere. Mal abgesehen von der Hygiene (wieviele Leute mögen darauf vorher schon rumgeschmiert haben?) - wo sind wir denn? Im Kindergarten? Unglaublich, aber das sind halt "moderne Verhältnisse", über deren Nutzen und Nachteile niemand nachzudenken scheint. Ich habe dann mit dem kleinen Finger einfach eine Art Wellenline draufgeschmiert, für Einzelheiten interessiert sich sowieso keiner mehr.

Andy58 hat folgendes geschrieben:
Lange Texte kann ich durchaus konsumieren, vor allen die, die einen auch interessieren. Und ich bevorzuge fast immer die Paierform statt die elektronische. Die Papierform ist ausfallsicher und völlig frei von DRM Rolling Eyes Wink

Ach ja, ich verwende auch noch möglichhst die alte Rechtschreibung, mit "daß", "Kakteen", Känguruhs", Delphinen", "Atlanten", "Globen" und "Portemonnaies"..

Das freut mich sehr, das zu lesen. Very Happy
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Andy58



Anmeldungsdatum: 23.07.2006
Beiträge: 3626
Wohnort: München

BeitragVerfasst am: Fr Nov 08, 2019 7:02 pm    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,
ein Mißverhältnis M/W kann man auch bei den Schönschriftnoten für Schreibschrift in der Grundschule feststellen, da ist es ganau umgekehrt zur Mathematik... Die meisten Jungs haben eine "Sauklaue", die meisten Mädchen nicht. Bei Druckschrift relativiert sich das, ohne die Schnörkel sind Buchstaben wohl exakter zu schreiben, ähneln eher ein bißchen mehr Konstruktionszeichnungen und das scheint Jungen wieder eher zu liegen. Meine Druckschrift ist jedenfalls erheblich besser lesbar und auch "schöner" im Sinne von "der Vorlage ähnlich" als meine Schreibschrift. Meine Unterschrift ist das einzige, was ich in Schreibschrift schreibe und die kann bestimmt keiner korrekt entziffern...

Statt die Grundschüler lange Zeit mit Schönschrift in Schreibschrift zu quälen, könnte man stattdessen mehr Rechtschreibung und Grammatik üben, das finde ich wesentlich wichtiger.
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Gruß
Andy

Leiter des Instituts für kulturhistorische Forschung, Fachbereich metallische Rückhalteeinrichtungen mit angeschlossener Manufaktur Wink
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flx



Anmeldungsdatum: 14.03.2005
Beiträge: 587
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BeitragVerfasst am: Fr Nov 08, 2019 9:11 pm    Titel: Antworten mit Zitat

@scandor

Zunächst einmal vielen Dank für die Mühe, welche du dir mit deinen Beiträgen gemacht hast. Du brauchst dich da auch nicht zu entschuldigen oder zu rechtfertigen. Ich schätze eine klare Ausdrucksweise mit geradliniger Gedankenführung ohne Verschwenkungen und Schnörkel.

Aus Zeitgründen nur eine ganz kurze zusammenfassende Antwort, damit das nicht ohne Reaktion meinerseits bleibt und eventuell mißverstanden wird.

Ob ich jemand bin, der "aus der Zeit gefallen ist und die Welt nicht mehr versteht"? Kann durchaus sein. Aber es gibt ja zum Ausgleich die Weisheit, die angeblich(!) mit dem Alter kommen soll. Und die Altersmilde, die sich bei manchem allerdings eher im Alterszorn zeigt.

Neue Entwicklungen - schön und gut. Aber sollte man sich nicht zuvor, schlau wie man sein will, Gedanken darüber machen, ob diese Neuerung tatsächlich den Menschen in seiner Zweckbestimmung weiterbringt oder nicht langfristig mehr Probleme als Nutzen ergibt? Stichwort Technikfolgenabschätzung. Die Amischen in Nordamerika sind da auf ihre besondere Art ein bißchen weitsichtiger.

Und da fällt mir in der modernen Zeit eines auf. Geld fließt nur noch dahin, wo man etwas verdienen zu können glaubt. Kaum einer überdenkt vorher die (möglicherweise später kaum mehr rückgängig zu machenden) Folgen. Beispiel Wind- und Sonnenenergie bei gleichzeitiger Abschaltung von Kohlekraftwerken oder die tolle Elektromobilität. Alles schön gedachte moderne Projekte. Nur daß wir damit in massivste technische Probleme hineinlaufen werden. Sind wir da tatsächlich so schlau, wie wir meinen? Die Naturgesetze sind nun einmal auch vom geschicktesten Juristen nicht interpretierbar. Ich vermute, daß man das in den Vorstandsetagen durchaus schon weiß, aber oftmals die Parole gilt: das bringt zwar langfristig nichts, aber wir können jetzt damit Geld verdienen, also beteiligen wir uns daran.

Wir sehen auch fortlaufend Versuche, den Menschen aus seiner Verbundenheit im sozialen (Familie) und regionalen (Heimat) Umfeld zu lösen und zu einem gesichtslosen Massenwesen zu machen, das nur noch an Geld, Konsum und sofortiger Bedürfnisbefriedigung interessiert ist. Das kann nicht gutgehen und wird nicht gutgehen, weil es einfach der Menschennatur widerspricht. Diese Menschennatur ist zeitlos und in ihren Grundprinzipien nicht wandelbar. Einzelheiten erspare ich mir aus Zeitgründen.

Untergang des Abendlandes? Ich fürchte, die Antwort lautet mittlerweile eindeutig "ja". Das Abendland hat die Hochphase seiner Kultur hinter sich; was jetzt läuft, ist nur noch das "Verfrühstücken" dessen, was frühere Generationen geschaffen haben.

Aber gut, möge jeder darüber so denken, wie er will. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Ich schaue da lieber von der Seitenlinie aus zu und halte mich heraus, soweit es möglich ist.
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MartinStgt



Anmeldungsdatum: 14.02.2010
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BeitragVerfasst am: Fr Nov 08, 2019 9:31 pm    Titel: Antworten mit Zitat

Klar, die Sprache entwickelt und verändert sich, hat Vorfahren, Geschwister und Vettern, wie die Arten der Lebewesen auch.
Aber deswegen gibt es dennoch klar gefasste Regeln, die beachtet werden müssen und deren ständigen Bruch man nicht lapidar als Beispiel für Sprache im Wandel abtun kann. Sonst könnten wir die Deutschlehrer ja alle zumachen und wegschmeißen: Jeder spricht und schreibt wie's ihm passt. Änderungen bedürfen also der Genehmigung durch entsprechende Stellen.
Die Nihilistensprache in diversen Netzplatt(!)formen kann ich gerade noch als schleichende Sprachveränderung akzeptieren, wenn auch nicht gutheißen, denn die Nutzer wissen es ja nicht besser. Zahlreiche, auch eingedeutschte, Anglizismen, einschließlich ganzer Redewendungen, beherrschen das Bild, aber eben unbewusst.
Was hingegen seit Jahrzehnten ganz offiziell bei Unternehmen und Behörden praktiziert wird, kann ich nicht einfach achselzuckend als normalen Sprachwandel hinnehmen. Das ist Sprachverhunzung. Ganze Sinnsprüche, Slogans, auf Englisch, oft auch noch falsch, gelten oder galten als selbstverständlich. Und das geschieht nicht beiläufig, also im Sinne von Sprachwandel, sondern planmäßig, per Vorstandsentscheid oder so, also vorsätzlich. Besonders übel ist das bei Behörden mit öffentlichem Auftrag, Stadtverwaltungen etc. Warum ändern Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel planmäßig in allen Veröffentlichungen "Fahrscheine" in das englische Wort "Ticket"? Das ist nicht trendig, das ist affektiert und idiotisch. Die Anbiederung an die englische Sprache wirkt auf Großbritannien und Amerika oft nicht weltoffen, sondern saudumm und unterwürfig. Bei großen Sportveranstaltungen wie Olympische Spiele etc., die ich sowieso nicht verfolge, ist das permanente "GERMANY" hinten drauf an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Vor allem, wenn fast alle anderen ihre eigene Länderbezeichnung haben. Auch das Kürzel GER sollte mal in DEU oder DTL geändert werden. Die Niederlande haben auch NED und nicht NET. Wäre schon DEUtlich besser.
Lächerlich wird die Anglomanie natürlich auch dann, wenn die Verwender gar kein Englisch können und beispielsweise Wörter, die einen Bedeutungswandel hinter sich haben, mit dem entsprechenden etymologisch ähnlichen aber falschen deutschen Wort übersetzen. Dazu gibt's zahlreiche Beispiele, federführend da sind natürlich wie so oft unsere Journalisten. Aber deren Legasthenie ist eigentlich nicht deren Hauptproblem...
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DS-Stahl



Anmeldungsdatum: 10.05.2005
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BeitragVerfasst am: Fr Nov 08, 2019 9:44 pm    Titel: Antworten mit Zitat

flx hat folgendes geschrieben:

Und da fällt mir in der modernen Zeit eines auf. Geld fließt nur noch dahin, wo man etwas verdienen zu können glaubt. Kaum einer überdenkt vorher die (möglicherweise später kaum mehr rückgängig zu machenden) Folgen. Beispiel Wind- und Sonnenenergie bei gleichzeitiger Abschaltung von Kohlekraftwerken oder die tolle Elektromobilität.


Das Problem ist korrekt beschrieben, aber ganz sicher nicht neu.
Aus der nicht allzu fernen Vergangenheit fällt mir die Einführung der Kernenergie ein, der Rückbau der Eisenbahn zu Gunsten von LKW und Bus.
Die Vergiftung der Flüsse mit Abwässern, Heizen mit "günstigem" Nachtstrom, die Umstellung der Energieversorgung auf Energieträger die aus dem Ausland importiert werden müssen.
Etwas länger her:
Die Abholzung der Wälder in Thüringen zur Stahlgewinnung und an der Adria zum Bau von Venedig.
Auch fast alle Kriege fallen in die Kategorie, denn ohne die Aussicht auf den "Return of Investment" fängt man die ja nicht an. Persönliche Eitelkeit mal ausgenommen.
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DS-Stahl



Anmeldungsdatum: 10.05.2005
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BeitragVerfasst am: Fr Nov 08, 2019 9:55 pm    Titel: Antworten mit Zitat

MartinStgt hat folgendes geschrieben:
Warum ändern Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel planmäßig in allen Veröffentlichungen "Fahrscheine" in das englische Wort "Ticket"?


Dafür lasse ich praktische Gründe gelten. Ein großer Teil der Fahrgäste kommt mittlerweile aus dem Ausland (beruflich oder zum Spaß) und da ist englisch halt die Sprache der Wahl, wenn man nicht russisch, chinesisch, japanisch und alle europäischen Sprachen unterstützen kann.

Im übrigen bin ich auch dankbar, wenn in Asien die Verkehrsmittel auf Englisch beschriftet sind.
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MartinStgt



Anmeldungsdatum: 14.02.2010
Beiträge: 1168
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BeitragVerfasst am: Fr Nov 08, 2019 10:22 pm    Titel: Antworten mit Zitat

Dann müsste der Fahrkartenautomat (!) groß mit "Tickets" (NEBEN "Fahrkarten") beschriftet sein. Es geht aber um Prospekte, Faltblätter und Netzpräsenzen, die 1. so gut wie kein Anderssprachiger sieht und 2. im Übrigen immer noch in einer Art Deutsch gehalten sind.
Mit diesem Argument müsste der ganze Text in Englisch sein, zusätzlich neben einem deutschen Text natürlich, nicht ein einzelner, wenn auch wichtiger, Begriff.
Kann ich nicht gelten lassen.
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Enris



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BeitragVerfasst am: Fr Nov 08, 2019 10:55 pm    Titel: Antworten mit Zitat

MartinStgt hat folgendes geschrieben:
Lächerlich wird die Anglomanie natürlich auch dann, wenn die Verwender gar kein Englisch können und beispielsweise Wörter, die einen Bedeutungswandel hinter sich haben, mit dem entsprechenden etymologisch ähnlichen aber falschen deutschen Wort übersetzen. Dazu gibt's zahlreiche Beispiele, federführend da sind natürlich wie so oft unsere Journalisten. Aber deren Legasthenie ist eigentlich nicht deren Hauptproblem...

Ja, wenn's schlecht gemacht ist, stört es. Lächerlich ist z.B. die Bezeichnung eines kleinen Rucksacks als "bodybag" (engl. "Leichensack"), wo doch Rucksack auf Englisch "rucksack" heißt.

Manches wird auch einfach gedankenlos übernommen, vielleicht weil es sich gut anhört, eine Exotik hat, die uns Deutsche wohl irgendwie fasziniert. Ich denke an Schlager aus den 70ern, die mit dem Besingen exotischer Orte oder Personen sehr erfolgreich waren.

Die Deutschen gelten nicht als glückliches Volk. Kommt daher die Sprachflucht? Sein zu wollen wie diejenigen, die wir als toll, stark, mächtig ansehen? Sich aus der gemeinten Kleinheit groß zu machen, indem man eine Basecap und Sneakers trägt und "oh my gosh!" statt "Hoppla!" ruft? Das ist tatsächlich ein sozialpsychologisches Phänomen (Stichwort "Soziale Identität"). Dabei haben wir mehr als genügend an Ideen, Traditionen, Wissenschaft und reicher Sprache, womit wir mehr als zufrieden sein könnten, wenn wir nur wollten. Der Deutsche sollte weniger verkniffen sein, sondern durchaus pragmatischer, jedenfalls selbstbewusster. Damit, denke ich, könnte man den unvermeidbaren Sprachwandel aktiv gestalten.

Ich glaube es lohnt, da hinein, in diese vorhandenen Größen seine Energie zu investieren, und gegen den Denglizismus nur so viel, wie wirklich notwendig.

Schönen Gruß
Enris
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dancingcane



Anmeldungsdatum: 11.05.2007
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BeitragVerfasst am: Fr Nov 08, 2019 11:10 pm    Titel: Antworten mit Zitat

Ich arbeite in einem großen Unternehmen, vor etlichen Jahren wurden Firmen mit gleichem Interesse dazugekauft. Und dann änderte sich einiges. Aus dem Personalbüro wurde Human Resources, aus der ärztlichen Abteilung und der Arbeitsicherheit, Health & Safty. Es entstanden Abteilungen die tolle Namen bekamen deren Bedeutung nur die kennen die darin arbeiten, in Büros wohnen oder studierten. Alles unterwirft sich der angelsächsischen Sprache. Kommt einem so vor als würde man sich am Hofe Friedrich des Großen befinden an dem Französisch gesprochen wurde weil sich die Sprache nach Meinung des Regenten schön anhörte.
Selbst an den deutschen Standorten macht man bei diesem Schwachsinn mit. Die oben finden das toll, die unten verlieren das interesse an dem ganzen.
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Herr Doktor, ich bin pervers, ich sammel Handschellen!! Sad
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