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52 Jahre lang Dauergast in der Haftanstalt

 
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MAGNUS



Anmeldungsdatum: 25.04.2004
Beiträge: 502
Wohnort: Nürnberg

BeitragVerfasst am: Di Jan 22, 2008 3:40 pm    Titel: 52 Jahre lang Dauergast in der Haftanstalt Antworten mit Zitat

Liebe Handschellenfreunde,
mit dem soeben in der Nürnberger Zeitung entdeckten Artikel möchte ich mich kurz nach langer Abstinenz zurückmelden, "Melden macht frei", hieß es bei der Bundeswehr, doch so ganz frei fühle ich mich durchaus nicht, im Gegenteil, der enorme Zeitmangel scheint auch im neuen Jahr anzuhalten, so muß ich enorm gegensteuern, mich in dem Forum festzulesen!
Doch nun endlich zu dem Artikel, interessant daran ist im Grunde genommen nur der fett zitierte Abschnitt:


52 Jahre lang Dauergast in der Haftanstalt
Rentner (70) ist in der JVA daheim - In Amberg eine Schmuckhändlerin erschlagen?

52 Jahre seines 70-jährigen Lebens verbrachte Rudolf R. im Gefängnis. Im Mai 2006 bekam der Todkranke die Chance für ein Restleben in Freiheit. Doch nun deutet alles darauf hin, dass er schon wenige Wochen später die größte Schuld auf sich geladen hat, die es gibt: zu morden.

AMBERG – Es war gegen Mittag des dritten Verhandlungstages im Prozess um den Mord an einer 93-jährigen Schmuckhändlerin aus Amberg, als sich Rudolf R. meldete. Ihm sei sehr schlecht, sagte der 70-Jährige mit tonloser Stimme und fragte, ob man ihn nicht in die Haftzelle zurückbringen könne. «Dort wird es sicher gleich besser. Sie können ja hier ohne mich weiterverhandeln.»

Der Wunsch konnte dem Rentner nicht erfüllt werden. Das deutsche Strafrecht erlaubt eine Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nur in wenigen Ausnahmefällen. Krankheit gehört nicht dazu. Zudem bescheinigte der herbeigeholte Landgerichtsarzt dem Angeklagten Verhandlungsfähigkeit. Das Gericht solle nur darauf achten, dass R. regelmäßig trinke und alle zwei Stunden eine Pause bekomme.

Die JVA, also die Justizvollzugsanstalt, ist schon lange das Rückzugsgebiet des 70-Jährigen. Sein Zuhause. 1951, mit 14, hat der gebürtige Amberger die Schule ohne Abschluss verlassen. Bereits zwei Jahre später wurde er erstmals eingesperrt. Seitdem hat er insgesamt 52 Jahre in Zellen verbracht, errechnete Psychiater Norbert Nedopil in seinem Gutachten für den Mordprozess.

Chancen für Bewährung

Immer wieder wurden R. Chancen für eine Bewährung in Freiheit eingeräumt. Keine stand er durch. Seine Spezialität: Einbrüche aller Art. Klaus Demmel, der Vorsitzende Richter, lässt Auszüge aus alten Urteilen vorlesen. Von geknackten Automaten ist da die Rede, von Büro-Kühlschränken, aus denen R. Würste hat mitgehen lassen, von Spirituosen im Wert von 30 000 Euro als Beute in einer Gertränkehandlung. Scheinbar hat R. die - alles zusammengezählt - drei Jahre in Freiheit ausschließlich mit Straftaten ausgefüllt. Immerhin: Er hat auch eine Tochter und einen Sohn gezeugt.

Im Mai 2006 dachte man allerdings, sein kriminelles Leben sei vorbei. Zwei Dinge haben eine wichtige Rolle dafür gespielt, ihn aus der Sicherungsverwahrung und damit aus dem Straubinger Gefängnis zu entlassen: Er hat Krebs im fortgeschrittenen Stadium. Und er hat geerbt. Mit 28 000 Euro auf dem Konto, so dachte man, habe er es nicht mehr nötig zu stehlen.

Das dachte auch sein Gefängnisfreund Wolfgang M., als er ihn am 22. Juli 2006 im Strafentlassenen-Wohnheim in Amberg besuchte. M., 69 Jahre, Rentner aus Vaterstetten bei München, hat 37 Jahre hinter Gittern verbracht. Er wurde im Dezember 2005 aus der Sicherungsverwahrung entlassen. Völlig erstaunt sei er gewesen, sagte er zumindest einmal bei der Polizei, als sein Freund Rudolf bei diesem Besuch über Geldnot geklagt hatte. Im Gefängnis habe es immer geheißen, R. sei jetzt reich.

Die beiden Rentner sind angeklagt, an eben jenem 22. Juli die Schmuckhändlerin Katharina K. gemeinsam erschlagen zu haben. Im Prozess schweigen sie zur Tat. Bei der Polizei, so wurde im Lauf der Verhandlung deutlich, belasteten sie sich gegenseitig. Rudolf R. sagte, er habe M. mittags zum Zug gebracht. M. sei aber nachmittags überraschenderweise wiedergekommen, habe prallgefülltes Gepäck dabei gehabt und sich in seiner Wohnung gewaschen. Wolfgang M. sagt, R. sei auf dem Weg zum Bahnhof in den Schmuckladen hineingegangen, um auszukundschaften, wie der zu überfallen sei. Dann sei er blutverschmiert wieder herausgekommen und habe gesagt, die Frau sei tot.

Diese Aussagen gelten beide als unglaubwürdig. Daher hat sich vor dem Amberger Schwurgericht ein klassischer Indizienprozess mit offener Dauer entwickelt. Allein 1100 DNA- und Blutspuren wurden während der Ermittlungen ausgewertet, 135 Zeugen befragt. Aus Sicht von Polizei und Staatsanwalt sind Rudolf R. und Wolfgang M. als Mörder überführt. Beide sind außerdem laut dem Gutachten von Psychiater Nedopil voll schuldfähig. Eines der wichtigsten Indizien: Die Tatwaffe, eine Pistole vom Typ FEB-Budapest mit langem Schalldämpfer. Mit ihrem Knauf war Katharina K. erschlagen worden. Gefunden hat sie die Polizei nach einem Tipp aus dem Gefängnis. R. hat sich während der Untersuchungshaft einem Mithäftling anvertraut.

An Händen und Füßen gefesselt wird der Zeuge dem Gericht vorgeführt. Als Richter Demmel ihm die Handfesseln abnehmen lassen will, finden die Wachtmeister den Schlüssel nicht. Da winkt er ab. «Mich stört das nicht.» Rudolf R. habe ihm das Versteck der Pistole beschrieben, sagt er aus. R. habe hinzugefügt, es lägen 5000 Euro dabei. Der 70-Jährige hoffte wohl, der Knastkumpel werde bald entlassen und könne dann Waffe und Geld für sich selbst beiseite schaffen. Doch der verriet sein Wissen lieber der Polizei.

«Wir kannten uns von früher»

Mehrmals rechtfertigt er sich im Gerichtssaal dafür, dass er überhaupt mit R. gesprochen hat. «Wir kannten uns von früher. Er hat mir außerdem versichert, er war das mit der Frau nicht.» Von allen anderen Häftlingen sei R. dagegen geschnitten worden. Dafür will Richter Demmel eine Erklärung. «Mörder sind doch eigentlich weit oben in der Gefängnis-Hierarchie, oder?» fragt er. Antwort: «Aber doch nicht einer, der eine 93-jährige Frau erschlägt.»

Gudrun Bayer
22.1.2008
© NÜRNBERGER NACHRICHTEN


Es erhebt sich die Frage, wie es dem an Händen und Füßen Gefesselten wohl möglich gewesen sei, "abzuwinken"; ein Kuriosum am Rande eines Menschen mit erstaunlichem Lebenslauf: Von 70 Jahren 52 im Gefängnis zugebracht - und jetzt erwartet ihm vermutlich weiterer Gefängnisaufenthalt, also quasi lebenslänglich im wahrsten Sinne des Wortes...

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Malti



Anmeldungsdatum: 19.08.2004
Beiträge: 895
Wohnort: Köln

BeitragVerfasst am: Di Jan 22, 2008 3:56 pm    Titel: Antworten mit Zitat

In der Tat ein merkwürdig anmutender Sachverhalt.
Aber ich begrüße ihn doch, da er dazu beigetragen hat, dich, lieber Magnus, wieder einmal hier ins Forum zu führen.

Malti cop
_________________
"Ich verachte die kleinlichen Seelen, die, weil sie die Wirkung der Dinge zu weit voraussehen, nichts zu unternehmen wagen."
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Andy58



Anmeldungsdatum: 23.07.2006
Beiträge: 3626
Wohnort: München

BeitragVerfasst am: Di Jan 22, 2008 6:31 pm    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,
ich freue mich auch, Dich mal wieder zu lesen Wink Hoffentlich läßt die Zeitknappheit doch noch etwas nach.

Fast das gesamte strafmündige Alter (incl. eingeschränkt strafmündig ab 14) nur im Knast verbracht - das ist wohl Rekord. Allerdings einer, auf den man nicht unbedingt stolz sein kann Rolling Eyes
_________________
Gruß
Andy

Leiter des Instituts für kulturhistorische Forschung, Fachbereich metallische Rückhalteeinrichtungen mit angeschlossener Manufaktur Wink
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unimuc



Anmeldungsdatum: 24.04.2004
Beiträge: 4298
Wohnort: München

BeitragVerfasst am: So Jan 27, 2008 9:05 am    Titel: Re: 52 Jahre lang Dauergast in der Haftanstalt Antworten mit Zitat

Hallo,

MAGNUS hat folgendes geschrieben:
Liebe Handschellenfreunde,
mit dem soeben in der Nürnberger Zeitung entdeckten Artikel möchte ich mich kurz nach langer Abstinenz zurückmelden

Na sowas, Lebenszeichen aus der Lebkuchenstadt! Eine kurze Freimeldung zur Unfreiheit des 70-jaehrigen, ja, man wundert sich schon was manche so machen. Aber dass er da abgewunken hat, das kann ich verstehen. Ist ja auch mal was anderes - und beim Verhandeln stoeren sie ja nun wirklich nicht.

Mir scheint allerdings, die Beamten werden immer schusseliger. Erst kuerzlich hatten wir die Polizistin, die ohne Schluessel zu haben die Lehrerin schellt, und dann so ein Gerichtsskandal. Wir hingegen haben Dir sogar Deine blaue Farbe hier aufgehoben Wink

Unimuc
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