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Restauration antiker Fußschellen

 
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Andy58



Anmeldungsdatum: 23.07.2006
Beiträge: 3626
Wohnort: München

BeitragVerfasst am: Sa Mai 03, 2008 1:49 pm    Titel: Restauration antiker Fußschellen Antworten mit Zitat

Hallo,
vor einiger Zeit habe ich bei Ebay einen alten "Rosthaufen" antiker Fußschellen für 60 Euro ersteigert. Allerdings war kein Schlüssel dabei. Die sahen wie auf dem folgenden Bild aus, nur noch ohne Schlüssel:


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Die erste Aufgabe war, die Schellen zu öffnen, also die Schlösser zu picken. Bei der Auktion waren auch Bilder von baugleichen Schellen im geöffneten Zustand dabei (mit Schlüssel kosteten die dann 600 Euro Shocked ), so daß ich wußte, wie sie funktionieren und wie ich an die Sache heran gehen müßte. Es sind pro Schelle vier Spreizfedern, die sich im Schloß verkeilen, die müssen alle gleichzeitig vom Schlüssel weggedrückt werden, um die Schelle zu öffnen. Als "Pickwerkzeug" konnte ich allerdings nicht die üblichen Werkzeuge nehmen, das Schloß ist riesig. Stattdessen pickte ich mit Schraubenziehern und Imbusschlüsseln (als "Hookwerkzeug"). Nur extrem widerwillig ließen sich die Schellen öffnen, der Rost hat sie regelrecht festfressen lassen:


(1536 x 1152, 124 KB)


Während das äußere noch ganz passabel aussieht (Patina, aber auch Rost...), waren die Innereien der Schlösser in einem desolaten Zustand:


(1536 x 1152, 97 KB)


Auch nach einem langen Tauchbad in HEDP60 sahen die Spreizfedern nicht viel besser aus, ich mußte die mühsam glattscheifen, damit überhaupt eine Chance besteht, die Schlösser wieder funktionsfähig zu bekommen. Leider haben sich dabei zwei Federn gelöst, eine fehlte schon ursprünglich an einer Schelle, so daß jetzt an einer Schelle noch drei und an der anderen noch zwei Federn vorhanden sind.

Nun mußte ich einen neuen Schlüssel anfertigen. Einen passenden Rohling kann man aber in keinem Schlüsseldienst mehr finden, das Rohr des Schlüssels muß einen Durchmesser von 12mm (!) haben, der Bart im Rohzustand ist etwa 20mm*30mm groß. Also habe ich eine lange M12 Maschinenschraube genommen und davon den Teil verwendet, auf dem kein Gewinde eingeschnitten ist. Einen Längsschlitz habe ich für den Bart eingefräst, am anderen Ende einen kleinen Schlitz quer für den Griff (Schlüsselreide). Für den Bart habe ich ein Stück 3mm-Blech ausgesägt.


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Der Bart wurde in den Schlitz eingesetzt und festgeschweißt, ebenso habe ich einen Ring am anderen Ende festgeschweißt. Damit war der Schlüsselrohling fertig und ich konnte mit dem Bearbeiten des Schlüsselbartes beginnen, um ihn passend zu machen.

Nach etlichen Einpaßversuchen funktionierte endlich der Schlüssel und die Fußschellen sind wieder funktionsfähig. Zum Aufschließen Schlüssel reinstecken und mit viel Gefühl, aber auch recht viel Kraft drehen, bis die Federn das Schloß freigeben:


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Hier die Spreizfedern, man sieht, die Oberflächen sind jetzt glatter, so daß der Schlüssel die jetzt wegdrücken kann, ganz glatt konnte ich die nicht machen, sonst wäre von den Federn nichts mehr übrig geblieben...


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Hier noch einmal der fertige Schlüssel, zum Vergleich ein Standardhandschellenschlüssel, damit man eine Vorstellung von der Größe bekommt:


(1536 x 1152, 133 KB)


Zum Schluß noch ein Vergleich der Fußschellen mit den ebenfalls nicht gerade zierlichen chinesischen Fußschellen und einer AHC L-100:


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Die Fußschellen wiegen etwas über 3.2kg, die Chinafußschellen dagegen "nur" gut 1.7kg...
_________________
Gruß
Andy

Leiter des Instituts für kulturhistorische Forschung, Fachbereich metallische Rückhalteeinrichtungen mit angeschlossener Manufaktur Wink
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Irish8



Anmeldungsdatum: 26.04.2008
Beiträge: 39
Wohnort: Deutschland

BeitragVerfasst am: Sa Mai 03, 2008 2:05 pm    Titel: Re: Restauration antiker Fußschellen Antworten mit Zitat

Hallo Andy,

danke für deinen ausführlichen Bericht!
Die hast Du ja prima hinbekommen!
Mich würde mal interessieren, wie alt die Fußschellen ungefähr sind?

Slán
Irish8
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Andy58



Anmeldungsdatum: 23.07.2006
Beiträge: 3626
Wohnort: München

BeitragVerfasst am: Sa Mai 03, 2008 2:12 pm    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,
steht sogar drauf: 1861. Für das Schloßprizip sind die sogar erstaunlich "neu", diese Spreizfedern gibt es schon deutlich länger. Damit sind es die ältesten Schellen in meiner Sammlung, meine Marlin Daley Bottleneck, die auch sehr gut erhalten ist (es hat schon einige neidische Blicke von anderen Sammlern gegeben) ist allerdings etwa von 1870-1880. Die ist auch erheblich "moderner", was die Konstruktion angeht.
_________________
Gruß
Andy

Leiter des Instituts für kulturhistorische Forschung, Fachbereich metallische Rückhalteeinrichtungen mit angeschlossener Manufaktur Wink
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Irish8



Anmeldungsdatum: 26.04.2008
Beiträge: 39
Wohnort: Deutschland

BeitragVerfasst am: Sa Mai 03, 2008 2:52 pm    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,
Zitat:

Leiter des Instituts für kulturhistorische Forschung, Fachbereich metallische Rückhalteeinrichtungen mit angeschlossener Manufaktur

Und hast du sie schon ausprobiert? Zu Forschungszwecken meine ich natürlich 'Laughing'

Slán
Irish8
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Andy58



Anmeldungsdatum: 23.07.2006
Beiträge: 3626
Wohnort: München

BeitragVerfasst am: Sa Mai 03, 2008 3:17 pm    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,
ja, ausprobiert habe ich die natürlich auch schon. Die sind recht eng, ähnlich wie die Chinafußschellen, über Stiefel passen die jedenfalls nicht. Trotz des hohen Gewichtes sind die wegen der gut abgerundeten Kanten durchaus tragbar. Aber zum "Anwenden" sind die dann doch nur bedingt geeignet, dazu sind die zu alt, auch färbt evtl. die Oberfläche noch etwas ab.Ein kurzes Ausprobieren ist aber ohne Weiteres möglich.
_________________
Gruß
Andy

Leiter des Instituts für kulturhistorische Forschung, Fachbereich metallische Rückhalteeinrichtungen mit angeschlossener Manufaktur Wink
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Enris



Anmeldungsdatum: 31.08.2004
Beiträge: 6413
Wohnort: SWP

BeitragVerfasst am: So Mai 04, 2008 5:57 am    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Andy,

Respekt vor dieser Leistung, ein fast hoffnungsloses Stück wieder in einen brauchbaren Zustand zu bekommen !
Super Very Happy!

Viel Vergnügen
Enris

PS: Wenn du diese Fesseln auch noch zu Treffen mitschleppen willst, musst du dir alleine für die schon einen eigenen Koffer besorgen Wink.
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