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handschellenforum.de Das Forum rund um Handschellen
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MartinStgt
Anmeldungsdatum: 14.02.2010 Beiträge: 1168 Wohnort: Stuttgart
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Verfasst am: So Mai 15, 2016 8:33 pm Titel: Reparatur Tower-Fußschellen |
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So repariert man Tower-Fußschellen mit seitlichen Schlüssellöchern („Bottom key“).
Voraussetzung: Einer der Bügelarme wurde etwa vier Rasten vor dem Ende abgesägt.
Dieses fehlende Teil gilt es zu ergänzen.
Die einzelnen Schritte haben durchaus größere Pausen zwischen sich…
Man nimmt einen Stahlrundstab aus dem Baumarkt mit etwas größerem Durchmesser, sägt ihn auf Länge, feilt den Querschnitt des Stücks zum 16-Eck und dreht das Stück mit der Bohrmaschine und einer mit Schraubzwingen am Tisch befestigten Stahlfeile auf den geringeren Durchmesser (damit ist das Schwierigste geschafft).
Dieses Teil muss nun auf einen Kreisausschnitt gekrümmt werden. Dazu benötigt man ein Widerlager und einen Hebelarm. Als Widerlager dient der Schlitz in einer Dohle, und als Hebelarm eine einen Meter lange Gewindestange samt passender, zur Hälfte aufgeschraubter Mutter aus dem Baumarkt. Da ich zur denkenden Hälfte der Menschheit gehöre, ist der innere Durchmesser des Gewindes deutlich größer als der Teildurchmesser (sonst verbiegt womöglich der Hebel statt das Teil). So wird das Teil sukzessive auf den richtigen Radius gebogen. Als Vergleich dient die unversehrte Schelle (damit ist das Schwierigste geschafft).
Sollte das wider Erwarten geringe Bearbeitungsspuren an der Dohle hinterlassen haben, die sich von denen der Hebewerkzeuge der Kanalarbeiter unterscheiden, wird sich die Gemeinde wahrscheinlich sagen, da hat wohl einer Tower-Fußschellen repariert…
Nun muss in das Teil eine Zarge und in den Armstummel ein Schlitz gefeilt bzw. gesägt werden, sodass beide ineinander greifen. Dabei muss das Teil an das abgeschrägte Ende des Armstummels angepasst werden. Das ist eigentlich als Presspassung gedacht, das erweist sich aber als von Hand nicht durchführbar, sodass es eine leichte Spielpassung wird. Die Festigkeit der Verbindung erfolgt dann aber durch Vernietung. Mit zwei gekauften Stahlnieten (wie der Rundstahl kein Edelstahl und nicht verzinkt oder so) und einem passenden Bohrer (je 3,8 mm) ist die dazu nötige Presspassung spielend zu erzeugen. Die Nieten werden ein- und dann flachgeschlagen, was eine bombenfeste Verbindung schafft (damit ist das Schwierigste geschafft).
Nun werden noch verbliebene Lücken (die Anschlusspassung ging nicht wie erwartet) geschlossen, indem diese etwas aufgebohrt und mit Pressbolzen gefüllt werden (damit ist das Schwierigste geschafft).
Schließlich werden noch die Zähne ausgefeilt sowie der Bügel am Ende abgeschrägt. Eine künstliche optische Alterung mache ich nicht. Das dunkelt eh im Lauf der Jahrhunderte noch natürlich nach. Fertig! Optisch und technisch tipptopp, wenn es auch an einer Stelle etwas klemmt!
An fertigungsbedingten kleineren Druckstellen, die sich nur am neuen Stück finden, wird klar, dass das alte Material gehärtet ist und das neue nicht. Das lasse ich so, auf die Frühstückshärtungsmethode (im Toaster erhitzen und im dann kalten Kaffe abschrecken) verzichte ich wohl.
Eine ethische Frage quält mich seither: Habe ich jetzt noch ein Original oder nur noch einen Nachbau, für den einige Originalteile verwendet wurden…?
Vielleicht taucht das Paar ja über drei Ecken mal in ebay auf:
„Tower-Fußschellen aus den USA aus dem 19. Jahrhundert. Ein wahres Sammlerstück. – evtl. kein Original, da eine der Schellen einwandfrei funktioniert, was man bei Tower sonst noch nie beobachtet hat.“
Und irgendwann später dann in Aktenzeichen XY ungelöst:
„… Für dieses Verbrechen wurden unter anderem solche Fußfesseln der Marke Tower verwendet. Diese Fußfesseln weisen eine markante Besonderheit auf: Einer der Bügelarme wurde gekappt und später recht unfachmännisch wieder repariert. Wer kann Angaben dazu machen, wann, wo und von wem diese Arbeiten ausgeführt wurden? Für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters – also des Verbrechens, nicht der Reparatur – führen, ist eine Belohnung von … ausgesetzt. Hinweise nimmt eines der Aufnahmestudios und jede Polizeidienststelle entgegen.“
_________________ Ich sammel' Handschellen. Das ist was, was nicht von der Hand zu weisen ist... |
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flx
Anmeldungsdatum: 14.03.2005 Beiträge: 587
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Verfasst am: So Mai 15, 2016 9:05 pm Titel: |
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Sehr schön gemacht. Da zeigt sich wieder mal: "die Axt im Haus ersetzt den Zimmermann."
Nur verstehe ich eines auch nach mehrmaligem Lesen nicht. Was für eine "Dohle" hast du zum Einspannen benutzt? Eine Dohle ist ein Rabenvogel. Eine andere Bedeutung des Wortes ist mir nicht bekannt, und ich konnte auf die schnelle auch nichts finden. Ist das vielleicht, aus dem Zusammenhang ("Kanalarbeiter") spekuliert, so etwas wie ein schwerer Gullydeckel auf der Straße? |
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MartinStgt
Anmeldungsdatum: 14.02.2010 Beiträge: 1168 Wohnort: Stuttgart
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Verfasst am: So Mai 15, 2016 9:14 pm Titel: |
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In der Tat. Dohle ist das mir geläufige (süddeutsche?) Wort für einen Kanaldeckel. Das Wort Gully (-deckel) habe ich als eher umgangssprachlich und salopp und erst viel später kennengelernt. Kann sein, dass das regional unterschiedlich ist. _________________ Ich sammel' Handschellen. Das ist was, was nicht von der Hand zu weisen ist... |
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MartinStgt
Anmeldungsdatum: 14.02.2010 Beiträge: 1168 Wohnort: Stuttgart
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Verfasst am: Mi Mai 18, 2016 6:47 pm Titel: |
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flx hat folgendes geschrieben: | Sehr schön gemacht |
Danke!
Ich habe übrigens schon länger auch die zugehörigen Handschellen. Auch diese habe ich in überarbeitungswürdigem Zustand erhalten: Eine der beiden Schellen war wohl repariert worden, die Schellenbacken waren entfernt und wieder montiert worden, worauf allerdings die Nieten beidseitig ein paar Millimeter hervorgestanden hatten. Die habe ich dann einfach wieder plan gefeilt (im Bild links). So gesehen passen beide Exemplare sehr gut zusammen.
Und nein, wer jetzt was antikes anzubieten hat und auf meine Bieterschaft hofft, muss das Teil nicht notwendigerweise demolieren, ich sammle auch ganze Sachen.
_________________ Ich sammel' Handschellen. Das ist was, was nicht von der Hand zu weisen ist... |
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Red ballgag
Anmeldungsdatum: 22.04.2015 Beiträge: 498 Wohnort: Hessen
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Verfasst am: Mi Mai 18, 2016 10:18 pm Titel: |
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Beides schöne Teile! _________________ Handschellen halten Immer zu dir! |
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MartinStgt
Anmeldungsdatum: 14.02.2010 Beiträge: 1168 Wohnort: Stuttgart
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Verfasst am: Mi Mai 18, 2016 11:01 pm Titel: |
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Nicht einfach nur schön, sondern schön unbequem. Habe die Fußschellen danach mal probeweise getragen (bin ja sonst eher kein Anwender) um die Funktion zu testen, die drücken schon recht heftig an den Knöcheln, auch bei weniger lockerer Einstellung. Das verstärkt natürlich ihre eigentliche Wirkungsweise enorm.
MartinStgt hat folgendes geschrieben: | diese habe ich in überarbeitungswürdigem Zustand erhalten |
Die Handschellen!! Nicht ich!! _________________ Ich sammel' Handschellen. Das ist was, was nicht von der Hand zu weisen ist... |
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